Leidenschaft hinter kühlem Äußerem: Zum 100. Geburtstag von Ingrid Bergman

24. August 2015 Walter Gasperi
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Für Hitchcock war die 1915 in Stockholm geborene Ingrid Bergman die perfekte Hauptdarstellerin: Blond, kühl mit unter der Oberfläche lodernder Leidenschaft. Mit ihrer Affäre und Ehe mit Roberto Rossellini erregte sie einen Skandal und schaffte sieben Jahre später doch ein glanzvolles Comeback. Am 29. August wäre die dreifache Oscar-Preisträgerin 100 Jahre alt geworden.

Nicht leicht hatte es Ingrid Bergman in ihrer Jugend. Mit drei Jahren verlor sie ihre Mutter, neun Jahre später starb auch ihr Vater, der Fotograf Justus Samuel Bergman, der schon früh das schauspielerische Talent seiner Tochter gefördert hatte. Geprägt haben sie wohl diese Verluste in der Kindheit, haben wohl zum Ernst und der gewissen Kälte, die sie in ihren Rollen oft ausstrahlt, beigetragen.

Nach dem Besuch der Schauspielschule des Königlichen Dramatischen Theaters erhielt sie 1935 in "Munkbrogeven" (Edvin Adolphson) ihre erste Sprechrolle in einem Film, 1936 folgte mit der Hauptrolle in Gustaf Molanders "Intermezzo" ihre erste Hauptrolle. Hollywood wurde damit auf sie aufmerksam und nach der deutschen Produktion "Die vier Gesellen" (Carl Foelich, 1938) gelang ihr der Sprung in die Filmmetropole.

Star-Produzent David. O. Selznick war von der blonden Schwedin zwar alles andere als begeistert und kritisierte: "Sie hat eine viel zu große Nase, schiefe Zähne und unmögliche Augenbrauen", doch mit dem amerikanischen Remake von "Intermezzo" (Gregory Ratoff, 1939) gelang ihr sogleich der Durchbruch.

An der Seite von Stars wie Spencer Tracy ("Dr Jekyll and Mr. Hyde"; Victor Fleming, 1941) und Gary Cooper ("For Whom the Bell Tolls"; Sam Wood, 1943), vor allem aber natürlich an der von Humphrey Bogart in "Casablanca" (Michael Curtiz, 1942) spielte sie in den folgenden Jahren.

Unsterblich wurde sie mit der Rolle der Ilsa Lund, mit ihrem Blick auf den geliebten zynischen Barbesitzer Rick Blaine (Humphrey Bogart), mit der Erinnerung an das verlorene Pariser Liebesglück und ihrer Aufforderung an den schwarzen Barpianisten Sam "Dooley" Wilson "Play it again, Sam. Play: "As Time Goes By"".

Quasi eine Vorbereitung auf die folgenden Rollen bei Hitchcock war dann die Hauptrolle in der Neuverfilmung des Theaterstücks "Gaslight" ("Das Haus der Lady Alquist"; George Cukor, 1944), in dem sie als junge Frau von ihrem Ehemann, der hinter ihren Juwelen her ist, fast in den Wahnsinn getrieben wird. Einen Oscar als beste Hauptdarstellerin gab es - nach einer Nominierung für "For Whom The Bell Told" - für diese Rolle. Um Intrigen geht es auch in Hitchcocks "Spellbound" ("Ich kämpfe um dich", 1945), in dem aber nicht Bergman das Opfer ist, sondern ihr Partner Gregory Peck, dessen Unschuld sie zu beweisen versucht.

Höhepunkt der Zusammenarbeit mit Hitchcock war "Notorious" ("Berüchtigt", 1946), in dem sie perfekt mit Cary Grant harmonierte, weil immer in Balance gehalten wurde, inwieweit er sie als Undercover-Agentin für seine Zwecke benutzt und inwieweit auch echte Gefühle im Spiel sind. Nicht nur die Krimihandlung sorgt so für Spannung, sondern auch diese Beziehung, die zwischen erotischem Knistern und handfestem Krach, zwischen Leidenschaft und Wut pendelt.

Obwohl der nächste Film unter Hitchcocks Regie, der Kostümfilm "Under Capricorn" ("Sklavin des Herzens", 1949) weder bei Kritik noch beim Publikum ankam, stand Bergman nach weiteren Oscar-Nominierung für "The Bells of St. Marys" (Leo McCarey, 1945) und für die Verkörperung von Jeanne d´Arc in Victor Flemings Shaw-Verfilmung (1948)auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, zog aber den Zorn Hollywoods – und praktisch der gesamten USA – auf sich, als sie eine Affäre mit Roberto Rossellini begann, sich von ihrem Ehemann trennte, ihre elfjährige Tochter Pia zurückließ und nach Italien zog.

Die Zerrissenheit Bergmans, die Schmerzen dieses Bruches spiegeln sich in "Stomboli" (1950), in dem sie eine tschechische Überlebede des Zweiten Weltkriegs spielt, auf einen Neubeginn mit einem Fischer der Insel Stromboli hofft, doch in dieser fremden archaischen Welt keine Heimat findet. Auf "Europa 51" (1952) folgte Rossellinis Meisterwerk "Viaggio in Italia" (1953), in dem von einem Ehepaar in der Krise – ist es schon die Krise des Paares Bergman – Rossellini? – erzählt wird.

Neben Isabella Rossellini entsprangen aus der Ehe zwischen dem Hollywood-Star und dem italienischen Regisseur, die zusammen sieben Filme drehten, Isabellas Zwillingsschwester Isotta und der zwei Jahre ältere Roberto. Weil Rossellini es aber nicht ertragen konnte, dass seine Frau auch mit anderen Regisseuren drehte, zerbrach die Ehe nach sechs Jahren und Bergman kehrte nach Hollywood zurück

Mit "Anastasia" (Anatole Litvak, 1956), in der sie die russische Zarentochter spielte, die das Massaker an der Zarenfamilie 1922 überlebt haben soll, gelang ihr ein glänzendes, mit dem Oscar ausgezeichnetes Comeback. Vergessen waren der Spott und die Verachtung, die sie sechs Jahre zuvor erfahren musste.

Wie wenige US-Schauspielerinnen schaffte sie den Sprung von der jungen zur reifen Frau, brillierte an der Seite von Cary Grant in Stanley Donens smarter Komödie "Indiscreet" (1958) und unter Anatole Litvaks Regie in "Goodbye Again" ("Lieben Sie Brahms?", 1961). Keine großen Meisterwerke finden sich unter ihren späteren Filmen, auch Sidney Lumets "Murder on the Orient Express" (1974), mit dem sie sich einen Oscar für die beste Nebenrolle holte, und ihre einzige Zusammenarbeit mit ihrem Landsmann und Namenskollegen Ingmar Bergman in "Höstsonaten" ("Herbstsonate" (1978) gehören kaum zu den großen Werken der Filmgeschichte, doch an Bergmans Spiel lag das nie.

Trotz einer 1974 diagnostizierten Krebserkrankung arbeitete sie weiter, ließ sich nicht unterkriegen. Schon schien die Behandlung erfolgreich, da brach die Krankheit 1980 erneut aus. Dennoch drehte sie 1982 mit "A Woman Called Golda" ("Golda Meir", Alan Gibson) noch einen letzten (TV-)Film und starb am 29. August 1982, ihrem 67. Geburtstag, in London.

Hommage an Ingrid Bergman (4 min)