Kunstwerke weisen Tieren den Weg ins "Paradies"

Kürzlich wurde in der Industriezone von Koblach das nach Plänen des Architekturbüros Johannes Kaufmann neu errichtete Betriebsgebäude der Vorarlberger Wiederverwertungsgesellschaft (VWG) eröffnet. Für den nicht offenen Architektur-Realisierungswettbewerb wurden insgesamt zwölf Projekte eingerecht. Dabei konnte sich das Büro Kaufmann vor Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT und Querformat ZT den ersten Preis sichern. Das neue Gebäude erfährt eine grosse Aufwertung durch beeindruckende Kunst-und-Bau-Beiträge von Marianne Greber, Stoph Sauter und Karl Salzmann.

Kompakter Baukörper

Die VWG in Koblach war seit jeher eine Drehscheibe für die Sammlung von Falltieren und tierischen Nebenprodukten aus dem Land und das Verladen in Transportcontainer. Anschließend erfolgt der Weitertransport nach Bayern bzw. Niederösterreich. So werden jährlich ca. 1.800 Tonnen tierische Materialien und Nebenprodukte entsorgt. Der rund 40 Jahre bestehende Altbau befand sich in einem schlechten baulichen Zustand und entsprach nicht mehr den notwendigen Standards. Deshalb hat die Vorarlberger Landesregierung im Juli 2019 den Abbruch des Bestandsgebäudes und die Errichtung eines Neubaus beschlossen.

Moderner Neubau

Der Neubau gestaltet sich etwas kleiner als das alte Gebäude und wurde funktional auf den aktuellen Bedarf angepasst: Die Sammelstelle für Tierkörper von Kleintieren wurde so eingerichtet, dass hier auch ein Abschied in Würde von einem verstorbenen Haustier möglich ist.
Bei dem nach den Plänen es Architekturbüros Kaufmann realisierten Projektes hob die Jury vor allem die kompakte Anordnung aller Funktionen auf rechteckigem Grundriss mit Längsachse in Ost-West-Richtung hervor. Wobei der Büro- und Personalbereich die Mitte aller Funktionsbereiche, zu denen etwa auch die „Brückenwaage“ und die „Sammelstelle privat“ zählen, darstelle und sich nach nach Osten zum Einfahrtstor orientiere. Ein schmaler Lichthof versorgt dabei die innen liegenden Personalbereiche mit Tageslicht und bietet innere Orientierung. In den Augen der Jury hat die Architektur ein klares Thema: „Auf einem Sockel, der mit schwarzem Lochblech verkleidet wird, stehen zwei kubische Laternen aus Profilitglas, die Tageslicht in die erhöhten Hallenbereiche einlassen. Die Dachkonstruktion sollte so weit wie möglich in Holz ausgeführt werden, was auch der Absicht der Entwurfsverfasser entspricht.“

Die Gesamtkosten für diese ausgelagerte Landesgesellschaft betragen inklusive Erschließung und Abriß des Altbaus 8,96 Millionen Euro, die reine Bausumme 6,4 Millionen Euro. Unter der behutsamen Projektbegleitung von Georg Konrad vom Vorarlberger Hochbauamt in Feldkirch wurden im Zuge des „Kunst-am-Bau-Prozents“, das bei öffentlichen Bauten seitens des Landes empfohlen wird, auch vier aussergewöhnliche Kunstwerke entwickelt, deren Realisierung eine gleichermaßen intensive wie einfühlsame Auseinandersetzung der Kunstschaffenden mit der Zweckorientierung des Baues vorausging.

Soulight

Was nun die Kunst-und-Bau-Arbeiten anbelangt, so hat der in Dornbirn lebende Medienkünstler Stoph Sauter mit „Soulight“ eine in grösster handwerklicher Präzision gefertigte Stahlskulptur für den schmalen Lichthof des VWG-Betriebsgebäude entwickelt. Formal besteht dieses Objekt aus 36 doppelseitig verspiegelten Würfeln aus dickem Edelstahlblech, 19 davon sind offene Lichtwürfel. Die Würfel weisen nur wenige Nahtstellen auf, da der Stahl zumeist zu exakten Kanten „gebogen“ wurde. Die Anordnung der geometrischen Körper ist an die Endlossäule von Constantin Brâncusi angelehnt. Einer Form, die keinen Anfang und kein Ende besitzt. Im Prinzip sind es zwei vertikal-symmetrisch angeordnete Würfelkomplexe, die unendlich fortgesetzt werden könnten und die in gewissem Sinne auch an eine DNA-Matrix (Doppelhelix) erinnern.
Sauter: „Die quadratische Form der Würfelseiten entspricht übersetzt dem Bild von Pixeln, dem Code des Lebens. Alles Leben ist ursprünglich codierte Information. (DNA)-Information hat jedoch keine Materie, so steht das Licht für die Seele, oder den immateriellen Geist.“ Wovon sich denn auch der Titel der Skulptur „Soulight“ ableitet.

Ins Organische übersetzt verweist dieser Doppelkomplex auf das Leben, von der Wiege bis zum Tod, an den Lebenskreislauf. Auch daran, dass Tiere und Pflanzen demselben Schicksal unterliegen wie der Mensch. Stoph Sauter: „Der Neubeginn, die Hoffnung, oder das ewige Leben ist die Mutation, die vereinfachte Verdoppelung im Objekt. Oder wie ein Universum, ein Beginn, die Ausdehnung, die eventuelle Kontrahierung – Gravitation wäre die dafür bereits existierende Kraft.“

In einer weiteren, aus Text bestehenden Arbeit, die mittels Klebebuchstaben auf eine gläserne Trennwand zwischen zwei Büroräumen aufgetragen wurde, setzt sich Sauter mit verschiedenen Redewendungen auseinander, die tierisch zum Ausdruck bringen, das alles umsonst war. Dazu führt der Künstler die Alltagssprüche „für die Fisch sein“, „für die Katz“ und „to be for the birds“. Ein gleichsam ironischer wie liebevoller Verweis auf den letzten Gang der Tiere.

Symphonischer Glanz in Grün

Zwei weitere der allesamt bestechenden Arbeiten tragen die Autorschaft der aus Andelsbuch stammenden Fotografin Marianne Greber. Die eine davon nennt sich „Symphonie GG“, wobei das „GG“ für Glanz in Grün steht. Dieser Titel habe sich aus dem Arbeitsprozeß ergeben, so Greber, aber eigentlich soll das „GG“ für den Betrachter offen sein. So könne es beispielsweise auch Gans, Geier, Gorilla, Grashüpfer, Grille oder Gänseblümchen, Grashalm, Grapefruit oder Geranie bedeuten. Konkret handelt es sich bei diesem Werk um einen 250 Zentimeter langen und 50 Zentimeter breiten Tresenaufsatz aus Kunstharz im Empfangsbereich des Unternehmens, in den in einem aufwendigen Verfahren insgesamt 349 florale und 46 Elemente aus der Welt der Fauna eingegossen wurden. Unter den floralen Stücken befindet sich etwa ein 50-jähriges Edelweiß aus der Kanisfluh-Region. Desweiteren Zwerg-Wachholder, Baumpilze, Beeren, Zapfen und von der Künstlerin selbst gepflückte Edeldisteln (Alpen-Mannstreu). Das älteste Fauna-Element, ein Apollofalter, ist rund 100 Jahre alt und stammt aus einer Wiener Insektensammlung. Insgesamt sind 24 verschiedene Schmetterlingsarten eingegossen. Hinzu kommen noch Käfer, ein Buchfinkennest und sogar Wachteleier.

Man könnte von einer zeitgenössischen Vanitas-Skulptur sprechen. Der Kunsthistoriker Johannes Karel verweist in einem Essay zu dieser Arbeit denn auch auf das „Goldene Zeitalter“ der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, als kunstvoll komponierte Blumenstillleben en vogue waren und die Künstler den Betrachtenden „nicht nur ein lustvolles Schauvergnügen auf die voll erblühten Naturschönheiten eines ganzen Jahreszyklus“ bieten wollten, sondern diese zusätzlich mit der unterschwelligen Botschaft des Vanitas-Gedankens unterlegten. Karel: „Marianne Greber greift mit 'Symphonie GG' diese symbolgeladene Interpretation auf und entwickelt sie ins Zeitgenössische weiter. Das meisterliche Arrangement präsentiert eine kursorische Darstellung der regionalen Flora und Fauna in den Jahreszeiten Vorarlbergs... Jedes einzelne der über vierhundert Naturelemente wurde bewusst von der Künstlerin ausgewählt, und mittels aufwändigem Harzgussverfahren im jeweiligen Lebensstadium konservierend eingefangen. Dadurch bleibt die biologische Physis präsent und tritt nicht als malerisches oder fotografisches Echo vor uns. Wenngleich allen Einzelelementen 'memento mori'-Assoziationen innewohnen, so sind sie doch gleichzeitig durch die Künstlerin genau diesem dräuenden, naturgegebenen Tod dauerhaft entzogen.“

Beim zweiten Beitrag Grebers, „Die Überflieger“, handelt es sich um eine monumentale Fotomontage (150 x 301 Zentimeter), die in die rückärtige Holzlamellenwand des Besprechungszimmers integriert wurde, und für die die Aussage „Jede und jeder ist ein Universum“ den Ausgangspunkt bezeichnet. Dargestellt ist die Blüte der besagten, von der Künstlerin selbst gepflückten Edeldistel (Mannstreu), und eine Reihe sich im Bildraum ausbreitenden „Steppenhexen“, wie die Samen bezeichnet werden, die vom Wind unsteht hin und her geweht oder auch von Tieren verbreitet werden. Dazu Johannes Karel: „Die zahlreichen im Raum schwebenden Samen symbolisieren die unzähligen Interaktionen der Flora, Fauna und Menschen in ihren Lebensräumen. Die Aus- und Wechselwirkungen dieser Handlungen sind häufig nicht abzusehen oder verfolgbar. Sie liegen daher ähnlich im Dunklen wie Grebers Nahaufnahme der Silberdistel in dem in undurchdringliches Schwarz getauchten, undefinierten Raum. Derart isoliert kann das zukünftige Werden und Aufblühen lediglich mit Hilfe eines äußeren Impulses, hier des Windes, glücken.“

Marianne Greber verweist mit „Symphonie GG“ und „Die Überflieger“ auf die Ungleichgewichtigkeiten, die in der Lebensumwelt vorherrschen. „Die Zivilisationen auf Erden hausen, arbeiten, konstruieren und denken in Blöcken, Ecken und kantigen Formaten. Die Disparität zwischen diesen Polen war und ist virulent,“ so die Künstlerin. Ihre Beiträge sind in Bezug auf ihre Verortung als „Hommage an die Tiere“ zu werten.

Soundinstallation "39 Hz"

Der in Wien lebende Vorarlberger Sound &Visual Artist sowie Sound-Wissenschaftler Karl Salzmann hat mit „39 Hz“ eine Sound- und Lichtinstallation für die „Sammelstelle privat“ entwickelt. Das ist jener Bereich der VWG, bei dem Privatleute ihre verstorbenen Lieblinge, also ihren Waldi, Bello oder ihre Murli etc. abgeben können. Wera Hippesroither vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien beschreibt diese Arbeit Salzmanns im Katalogbuch, das anlässlich der Eröffnung des VWG-Neubaues erscheint: „Der Ausgangspunkt von '39Hz' scheint die Frage zu sein, wie in einer spröden Umgebung wie einer Verwertungsgesellschaft Pietät und Abschied möglich sein können. Die Besucher*in der Installation setzt diese selbst in Gang: bei Betätigung eines Schalters ertönt ein zunächst leiser, immer stärker anschwellender Ton, der zunehmend den gesamten Raum erfüllt. Salzmanns Komposition schwingt dabei mit 39 Hz, was der Grundfrequenz des Raumes entspricht. Treffen diese Frequenzen aufeinander, kommt es zu einer Schwingung des gesamten Raumes, was sogenannte stehende Wellen generiert. Ein Effekt, der körperlich wahrnehmbar ist und sich wie ein Umherkreisen, eine Bewegung im Raum anfühlt. Der Raum wird vom Klang in Eigenschwingung versetzt. Die akustische Ebene entfaltet eine räumliche Qualität und lässt eine Soundskulptur entstehen, die von jedem Punkt im Raum aus anders klingt. Die Komposition durchdringt den Raum und so kommt es zu einer Einschreibung, die sich als Widerhall oder kreisende Spur des 'letzten Weges' denken lässt.“

Salzmann reisst mit Hilfe akkustischer Mittel Fragen auf, die wohl für jeden Tierliebhaber relevant sind. Was nämlich mit dem verstorbenen Tier passiert, ob es zu Restmüll wird, oder ob etwa Pietät und Trauer angebracht sind. Was für die Menschen ein Trauermarsch oder das Adagio aus Gustav Mahlers 5. Symphonie, kann für den Tierbesitzer, der seinen Liebling verliert, Salzmanns „Hz 39“ verkörpern. Seine Installation bietet jedenfalls die „Möglichkeit einer rituellen Abschiednahme an einem Ort, an dem solch Feierlichkeit nahezu unmöglich erscheint.“ ( Hippesroither)