Die Zürcher Kunstgesellschaft, Trägerverein und Eigentümerin der Sammlung des Kunsthaus Zürich, einigte sich am 5. Juni 2024 mit den Erben des jüdischen Industriellen und Kunstsammlers Carl Sachs auf eine "faire und gerechte Lösung" für das Gemälde "L’Homme à l’ombrelle" von Claude Monet. Dies ist ein bedeutender Schritt in der konsequenten Umsetzung der neuen Provenienzstrategie, die das Kunsthaus Zürich im März 2023 vorgestellt hatte. Jetzt wird das Werk im Rahmen der gütlichen Einigung verkauft.
Monets "L’Homme à l’ombrelle" (1865/1867) stammt aus der Sammlung des jüdischen Textilunternehmers Carl Sachs und kam 1934 zusammen mit weiteren Werken als Leihgabe ans Kunsthaus Zürich.
Carl und Margarete Sachs, wichtige Förderer des kulturellen Lebens ihrer Heimatstadt Breslau, gehörten aufgrund ihrer jüdischen Abstammung zur Gruppe der Kollektivverfolgten des NS-Regimes. Die gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger per Gesetz erhobenen Repressalien der Nationalsozialisten führten dazu, dass sie 1939 aus Deutschland in die Schweiz flüchteten, wo sich Monets "L’Homme à l’ombrelle" bereits seit 1931 befand. Carl und Margarete Sachs durften jeweils nur 10 Reichsmark bei ihrer Flucht mitführen. Für die Einreise in die Schweiz mussten sie zudem ihre im Kunsthaus befindlichen Werke beleihen. Bis zu seinem Tod im Dezember 1943 verkaufte Sachs nachweislich 13 Kunstwerke, die er in der Schweiz eingelagert hatte. Der Verkauf von Monets "L’Homme à l’ombrelle" an das Kunsthaus Zürich war dabei das erste Werk, welches Sachs aufgrund der akuten finanziellen Notlage nur wenige Wochen nach der Flucht aus NS-Deutschland in die Schweiz veräussern musste. Ein kurzfristiger Verkauf war notwendig zur Sicherung der Existenz des Ehepaars Sachs, womit eine Zwangslage vorlag.
Nach Beurteilung der Faktenlage und des historischen Sachverhalts suchte die Zürcher Kunstgesellschaft den Dialog mit der Vertretung von Carl Sachs’ Familie, mit der sie eine gütliche Einigung fand. Der Anteil zugunsten der Zürcher Kunstgesellschaft wird gemäss den ethischen Richtlinien der ICOM in den Sammlungsfonds des Kunsthauses einfliessen.
Im Oktober 2022 haben Philipp Hildebrand und Ann Demeester ihre Ämter als Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft bzw. neue Direktorin des Kunsthaus Zürich übernommen. Eine der obersten Prioritäten war seither die Stärkung der Provenienzforschung am grössten Kunstmuseum der Schweiz. Nur wenige Monate später hat der Vorstand der Zürcher Kunstgesellschaft im März 2023 gemeinsam mit der Direktion des Kunsthaus Zürich eine neue Provenienzstrategie verabschiedet und sich verpflichtet, in Zukunft proaktiver mit Werken umzugehen, die nach vertiefter Forschung als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut eingestuft werden könnten.
Darunter können unter spezifischen Bedingungen auch Verkäufe von Kunstwerken durch Emigrantinnen und Emigranten in Drittländern ausserhalb des Machtbereichs der Nationalsozialisten fallen, wie der Schweiz. Die Priorität der Provenienzforschung liegt dabei auf der eigenen Sammlung sowie auf Neuzugängen. Die laufende systematische Überprüfung der Sammlungsbestände wird weitergeführt und vertieft. Dabei werden Werke auf ihre Provenienz geprüft, die vor 1945 entstanden sind und in der Zeit von Januar 1933 bis Mai 1945 ihren Besitzer gewechselt haben.