Kunstforum Montafon thematisiert das Sammeln und Jagen

Einen mehr ironischen als ernsten Bogen rund um das Thema "Jagen und Sammeln" zieht Roland Haas, Leiter des Kunstforums Montafon (KFM), in der von ihm kuratierten diesjährigen Sommerausstellung. Die partizipierenden KünstlerInnen Julia Brodauf, G.R.A.M., Sabina Mlejnek, Trevor Paglen, Georg Salner, Deborah Sengl und Nives Widauer sorgen dafür, dass nicht nur künstlerische Spannung, sondern auch Humor in die Räumlichkeiten der ehemaligen Schrunser Lodenfabrik an der Litz einzieht.

Das gewählte Thema, "Vom Jagen und Sammeln" kommt nicht von ungefähr. Es nimmt Bezug auf aktuelle Projekte in der Region zum Thema "Sammlungen" und ist ein weiteres Kooperationsprojekt mit den Montafoner Museen sowie mit der "Artenne Nenzig". Da er selber auch sammle, oder zumindest so gut wie nichts wegwerfen könne, sei dies auch ein sehr persönliches Thema, sagt Kurator Haas. Deshalb seien ihm denn auch Arbeiten von KünstlerInnen, die sich selbst bereits mit den vorgegebenen Themen auseinandergesetzt hätten, viel lieber (und authentischer) als KollegInnen zu beauftragen, eigens etwas dafür zu entwickeln. Dies habe auch zu dieser speziellen Auswahl von Kunstschaffenden geführt. Was nun das Sammeln anbelangt, so ist zumindest eines der vielen Betätigungsfelder der in Wien lebenden Schweizer Künstlerin Nives Widauers durchaus als kurios einzustufen. Unter dem Titel "minor catastrophies" setzt sich die 1965 in Basel Geborene, die nicht nur in der Kunstwelt, sondern auch im Theater zu Hause ist, den kleinen Alltagskatastrophen auf die Spur. Den Kataströphchen, die im Medien-, Bild- und Gesprächsalltag immer wieder passieren. Kommen diese verkleidet als Stickbilder daher, so entfalten sowohl die biederen Settings dieses aussterbenden Hobbys als auch die Katastrophen eine ganz eigene Wirkung. Die wie Suchbilder konzipierten und durch unvorhergesehene Figuren, Szenen, Details umgewerteten "minor catastrophies" entspringen einem Spiel mit Assoziationen und bedienen dieses gleichermassen. Die klassische Schallplattensammlung rückt die Berliner Künstlerin Julia Brodauf ins Zentrum, indem sie die Vinylscheiben wie Radierungen bearbeitet und damit druckt: "I know you"re an artist - draw a picture of me" - mit dieser Zeile aus einem Song von Bob Dylan fasst Julia Brodauf in der fortlaufenden Serie "pictures from life"s other side" das Drama von Kunst und Zeichnung knapp zusammen. Ihre Vinylradierungen, die sie direkt von bearbeiteten Langspielplatten druckt, porträtieren die Kollegen aus der Musikszene, die ihrerseits sich der Kunst und der Künstler annehmen. Die Linie, als dichte Spirale jeder Schallplatte eingeschrieben, entleiht die Künstlerin direkt dem Objekt, das sich in der Druckpresse selbst mitteilt. Der 1958 in Galtür geborene Kunstschaffende Georg Salner präsentiert speziell für das KFM seine Sammlung E/O/S in neuer Form. Bei E/O/S (Eos bezeichnet die griechische Morgengöttin, entsprechend der römischen Aurora) handelt es sich um eine Fundstücksammlung mit zahlreichen skulpturalen Fusionen, zu denen parallel umfangreiche fotografische Serien entstehen. Die aus unterschiedlichsten Materialien bestehenden Gegenstände stammen aus industriellen Produktions- und merkantilen Verwendungsbereichen und sind zu Objektkombinationen, die erst die Entfunktionalisierung ermöglicht und oft statischen Experimenten gleichkommen, weitergestaltet. Das Ganze wird durch eine spezifische Farbigkeit als Einheit zusammengehalten, denn die Fundformen sind gleichzeitig auch "Reflektoren" von Fundfarben. Die Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. thematisiert das Phänomen "Paparazzi" als moderne Jagd und liefert damit einen eigenständigen Beitrag zum medial beschworenen "Ende der Privatheit". Durch die Vermischung von selbst aufgenommenen Bildern realer Stars und Berühmtheiten mit Fotografien Unbekannter werden gängige Mechanismen der Wirklichkeitskonstruktion empfindlich gestört. Die an Orten wie Hollywood, New York, Cannes, Nizza, Monte Carlo, London, Wien, Berlin oder Graz "geschossenen" Bilder simulieren Realitäten, die nur in den Köpfen der BetrachterInnen existieren. Das Gewöhnliche wird über die Paparazzi-Ästhetik mit Geheimnissen aufgeladen. Aus "fact" wird "fiction". Der amerikanische Künstler und promovierte Geograf Trevor Paglen wiederum "jagt die Jäger". Er ergründet Phänomene, die strengster Geheimhaltung unterliegen und deren Existenz der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Erst durch technisch experimentelle und langwierige Recherchen gelingt es Paglen aufzudecken, was von höchsten Stellen unter Verschluss gehalten wird. Seine Fotografien geheimer Militäranlagen im US-amerikanischen Westen bedienen sich astronomischer Instrumente. Diese Landschaftsaufnahmen zeigen Orte, die offiziell oft nicht einmal existieren. Der Grossteil der abgebildeten Anlagen ist buchstäblich für das blosse Auge unsichtbar, da sie sich meilenweit entfernt inmitten abgesperrten Militärgeländes befinden. Die Malerin Sabina Mlejnek, 1970 in Wien geboren, thematisiert in ihren Bildern die klassische Jagd. In der Ausstellung preist die Jagdscheinbesitzerin, die noch nie ein Tier erlegt hat, anhand von Mischtechniken auf Papier nicht nur den Göttinnen und Göttern der Natur und der Jagd. In ihren aus malerischen und grafischen Elementen bestehenden Bildwelten verbinden sich sinnliche Körperstudien sowie röhrende Hirsche und Zielscheiben zu eigenwilligen Kompositionen. Deborah Sengls "Er-Tarnungen" wiederum rücken das Verhältnis von Jäger und Gejagtem, Täter und Opfer ins Zentrum. Der Einsatz von paradoxen, skurrilen, auch humorvollen Kombinationen in der Material- und Bedeutungsebene, gepaart mit einer grossen handwerklichen Präzision überzeugen unter anderem auch deshalb, weil ihren Arbeiten, scheinbar ganz nebenbei, immer auch eine inhaltliche Tiefe innewohnt, umschreibt Andreas Hoffer im “His-Story” das Vorgehen Sengls. Ihr "Zebralöwe" beispielsweise markiert in der Sammlung Essl, die wegen dem Baumax-Fiasko ebenfalls in die Schlagzeilen geraten ist, eine der wesentlichsten Positionen junger österreichischer Skulptur.
Vom Jagen und Sammeln 14. Juni bis 2. August 2014