Kunst Fokus Zürcher Oberland

Die vier KünstlerInnen Sylvia Zumbach, Lukas Salzmann, Gabriela Signer und Peter Maurer haben ihre Arbeitsstationen im Zürcher Oberland. Die IG Halle Rapperswil-Jona konzentriert sich vom 9. Oktober 2011 bis 29. Januar 2012 mit dieser Ausstellung auf regionales Schaffen und führt im Kunst(Zeug)Haus Werke in der Verschiedenheit ihrer Techniken, Arbeitsweisen und Perspektiven zusammen.

Seit 60 Jahren gewachsen ist das Werk von Sylvia Zumbach. Es erreicht seine Wirksamkeit mit einfachen Mitteln. Die Linie ist dabei die erste Wahl, nimmt empfindlich die feinsten Schwankungen der Hand auf, die sich auf das Papier übertragen. In der Vielfalt der Möglichkeiten gibt sich die Künstlerin einige minimale Regeln, innerhalb derer sich die Zeichnungen entwickeln. Das Auge folgt den sich wiederholenden Linien in ihre Verdichtung bis hin zu einer körperhaften Erscheinung. Auch dort, wo die Striche schwungvoll oder heftig ausgeführt sind, spricht aus der Arbeit von Sylvia Zumbach keine Expressivität, sondern stille Aufmerksamkeit, Konzentration und Offenheit gegenüber dem Geschehen auf dem Papier. Die Linie wurde zum Objekt, als Sylvia Zumbach begann, ihre eigenen (verlorenen) Haare als Grundmaterial zu benützen, das sich, ebenso wie die gezeichneten Striche, verdichtet, diesmal jedoch zu Knäueln oder Rollen mit einem nestartigen Innenraum. Umgekehrt sind die Haar-Objekte Inspiration für Zeichnungen.

Auch Peter Maurer arbeitet in seiner Fotoserie "Faceland" mit Wiederholung, indem sowohl die Bilder von Landschaften, wie auch die Porträts jeweils auf die gleiche Art aufgenommen sind: Die Linie des Horizonts ist immer auf gleicher Höhe, es herrschen in jeder Landschaft die gleichen kontrastlosen Lichtverhältnisse. Von den Gesichtern ist immer derselbe Ausschnitt zu sehen. Jedoch: so unspektakulär diese Bilder sind, so sehr mögen sie auch irritieren, denn obwohl sie Menschen und die sie umgebenden Landschaften aus sechs verschiedenen europäischen Ländern zeigen, lassen sie die erwarteten Zuordnungen versagen. Weder bieten sie Abwechslung durch deutliche geografische Merkmale, noch betonen sie die individuelle Lebendigkeit und Expressivität der Personen. So wie in den Landschaften nie die Sonne scheint, erhellen sich die Gesichter kaum durch emotionale Regungen oder Zeichen einer sozialen Bezogenheit. Umso erschreckender wirkt die plötzliche Nähe zu einem fremden Gesicht: Als Betrachter wird man frontal fixiert auf die Realität zwischen Stirne und Kinn, wird gezwungen, eine üblicherweise gewahrte Grenze zu überschreiten. Man findet sich in einem verwirrenden Widerspruch zwischen der Stille dieser Bilder und ihrer Aufdringlichkeit. Doch genau dies macht die subtile Anziehungskraft aus, die den Blick fesselt, längst bevor man sich dieser Wirkungsweise bewusst wird.

Bewegter präsentieren sich die Werke von Gabriela Signer. Einige ihrer Wachsbilder erinnern an angehaltene Videos, über die ein Flimmern zieht. Sie habe nach einer Möglichkeit gesucht, Videos ohne Videotechnik zu machen, erklärt die Künstlerin und meint damit den von diesem Medium vermittelten Eindruck von Geschwindigkeit und von steter Veränderung. Weder Öl- noch Acrylfarbe haben ihrem Anliegen standgehalten: "Es atmet nicht". Tatsächlich erreicht sie mit der Wachsmalerei ein starkes Raumgefühl. Enkaustik, abgeleitet vom griechischen Wort für "einbrennen", verweist auf die Anwendung von heissem Wachs oder erhitzten Werkzeugen in der Antike. Gabriela Signer verwendet jedoch kaltes Wachs, das mit Pigmenten und Terpentin vermischt sehr dünn auf Holz oder Leinwand aufgetragen wird, vergleichbar mit der Lasurtechnik beim Aquarell. Die am Ende horizontal ins Wachs gebrannten Linien legen tiefere Farbschichten frei, und das Spiel der Farben hält den Blick an einer faszinierend dicht gewobenen Oberfläche, die sich zu bewegen scheint und keine inhaltliche Fixierung zulässt. Am Anfang dieser Arbeiten stand ein Thema, welches sich in der verwendeten Technik wieder findet: Die Zwiebel mit ihren vielen Schichten, die beim Abschälen – wie auch die Suche nach der Wahrheit – zu keinem Kern führen. Wasser, Wasserpflanzen sind ein weiteres Sujet, welches, ausgehend von Fotografien, malerisch umgesetzt wird. Das Fliessende, in jedem Moment sich Verändernde ist auch Thema in Gabriela Signers Videos oder Fenster-Installationen.

Mit einer Serie von grossformatigen Ölgemälden präsentiert Lukas Salzmann seine neuesten Arbeiten, die seine bevorzugte Vorgehensweise weiterführen: schon lange integriert er Bilder aus den Medien in seine Werke, klebt Postkarten oder Plakate auf die Leinwand, um sie übermalend zu erweitern, zu verfremden, zu vertiefen. Nun wählt er Szenen aus ihm vertrauten Filmen, die er selber ab Computer fotografiert und auf Leinwand drucken lässt. Die Bilder erfahren so eine stufenweise Veränderung durch verschiedene Medien und werden schliesslich komplett malerisch umgesetzt und übermalt. In wochenlanger Arbeit entsteht ein Gemälde mit impressionistischer Farbverteilung, während das Sujet erhalten bleibt. Die dichte Farbigkeit und die plastische Qualität der Ölfarbe tragen wesentlich zur Intensität dieser Werke bei. Eine wichtige Funktion hat auch das Blitzlicht, das als weisser Punkt nicht nur eine Referenz an die Fotografie ist, sondern die Szene auch mit einem blinden Fleck versieht. Fast wird man davon geblendet und ahnt etwas Geheimnisvolles, zumal es sich bei den gewählten Situationen teilweise um Ausschnitte handelt, in denen wenig zu erkennen ist. Die Bilder bieten mit ihrer erzählerischen Qualität und besonders in Serien Assoziationen zum Film als Medium, jedoch nicht zu einem bestimmten Film.
Guido Baumgartner, Judith Annaheim

Kunst Fokus Zürcher Oberland
Sylvia Zumbach | Lukas Salzmann | Gabriela Signer | Peter Maurer
9. Oktober 2011 bis 29. Januar 2012
Ausstellung der IG Halle im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil