Kraftwerk Depot

Marta Herford entzündet mit dem Großprojekt "Kraftwerk Depot" ein wahres Kunstfeuerwerk. Gleich drei Ausstellungen sowie mehrere Präsentationen im Innen- und Außenbereich des Museumsareals werden eröffnet. Farbgewaltig und raumfüllend, sinnlich bis quälend, überraschend und exquisit empfangen die drei Hauptausstellungen den Besucher in den Gehry-Gallerien.

Installationen im Innen- und Außenbereich warten mit neuen und überraschenden Blickwinkeln auf. Die offizielle Einweihung des neuen Depotgebäudes am 10. Dezember schließlich öffnet Türen, die dem Besucher sonst verschlossen bleiben.

Eines ist diesen ganz unterschiedlichen Vorhaben gemeinsam: die öffentliche Fragestellung an die ureigendsten Museumsaufgaben: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen/Vermitteln. Das Museum präsentiert sich dabei als ein lebendiger Organismus im steten Wandel und permanenter kritischer Selbstbefragung. Initiiert wurde das Projekt anlässlich der Fertigstellung des neuen Marta Depotsgebäudes an der Goebenstraße.

Franz Erhard Walther - Die Erinnerung der Form
Franz Erhard Walther, vierfacher documenta-Künstler und Lehrer von Kunstrebellen wie Martin Kippenberger und Jonathan Meese, führt die Besucher in eine einzigartige sinnliche Erfahrungswelt. Mit dem ganzen Körper begreift man die raumfüllende, farbrauschende Großinstallation im Marta Dom. Der 1939 in Fulda geborene Franz Erhard Walther entwickelte um 1960 einen substantiell neuen Werkbegriff und bezieht darin den Betrachter als aktive Position in der Vollendung des Werkes ein. Walther unterscheidet dabei in seinen überwiegend textilen Arbeiten zwei Zustände: dem aktiv ausgestellten und erfahrbaren, welchem der Zustand der Lagerform gegenüber gestellt wird. Diese „gelagerten“ Werkstücke sind im Ausstellungskontext als statisches Potenzial sorgfältig arrangiert. Beide Zustände sind einander gleichwertig und dem ständigen Wandel ausgesetzt: Das verbindende Element ist die Handlung.

Erstmals wird nun in einem Ausstellungsprojekt die ganze Bandbreite seines seit 1979 stetig anwachsenden "Lagers der Probenähungen" präsentiert und als grandiose Rauminstallation, die das Spannungsfeld zwischen Handlungs- und Lagerform neu definiert, erfahrbar gemacht: Gleichsam Installation wie Dokumentation eines Gesamt-Werkes.

Nezaket Ekici - Personal Map (to be continued…)
Die Performancekünstlerin Nezaket Ekici breitet ihre "Personal Map" (ihre persönliche Weltkarte) aus: Von überbordender Opulenz bis strengster Ritualität und persönlicher Selbstauszehrung erzählen die Arbeiten der ehemaligen Meisterschülerin von Marina Abramovic.

Das Reisen scheint der Kunst-Nomadin Ekici in die Wiege gelegt worden zu sein. Bereits als Dreijährige wanderte die 1970 geborene deutsch-türkische Künstlerin mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Später zog sie für ihre Ausbildung erst von Duisburg nach München und dann für ihr Studium nach Braunschweig. Seither war sie auf drei Kontinenten, in mehr als 30 Ländern und mehr als 100 Städten mit über 120 Performances präsent. Daneben nimmt sie mit ihren Filmen und Installationen regelmäßig an Ausstellungen im In- und Ausland teil.

In ihrer ersten großen Museumsausstellung zeigt Nezat Ekici eine präzise, auf den Ort ausgerichtete Auswahl ihrer Werke, entstanden im Rahmen ihres weltweiten künstlerischen Schaffens in über zehn Jahren. Ebenso sind aber auch eigens für die Ausstellung entwickelte Projekte zu sehen. Wie kann Performancekunst, die sich gerade durch Einmaligkeit und Gegenwart der Künstlerin auszeichnet, im Museum gezeigt werden? Marta Herford beleuchtet die vielfältigen Möglichkeiten der Präsenz und Präsentation vergänglicher Performanceprojekte.

In ihren Arbeiten setzt sich Nezaket Ekici immer wieder mit Fragen von Identität, Geschlechterrollen und Globalisierung auseinander. Ausgangspunkt ihrer bewegenden Performances, Installationen und Filme ist vor dem Hintergrund ihrer türkischen Herkunft die Reflexion gesellschaftspolitischer und historischer Zusammenhänge.

Frisch ausgepackt - Wie Kunst altert
Herausragende Leihgaben aus den Depots des S.M.A.K. Gent und des LWL Landesmuseum Münster, ergänzt durch ausgewählte Stücke der eigenen Sammlung Marta erzählen vom geheimen Leben in den Museumsdepots in "Frisch ausgepackt".

Kunstwerke können nicht permanent betrachtet werden: Von Zeit zu Zeit müssen sie ruhen und in speziell ausgestatteten Räumen eingelagert, bewahrt, auch restauriert werden. So wird das Museumsdepot zum Speicher von Energien, die von Zeit zu Zeit in wechselnden Ausstellungszusammenhängen "frei werden".

Zentrales Ausstellungsstück in "Frisch ausgepackt" ist zweifelsohne die Installation "Wirtschaftswerte" von Joseph Beuys. Die Arbeit verkörpert in jeglicher Hinsicht sowohl den Aspekt des - teilweise problematischen - "körperlichen" Alterungsprozesses von Kunstwerken als auch den inhaltlich politischen. Die einzelnen Objekte sind Relikte der DDR und einer zu Marx‘ Zeiten entstandenen bürgerlichen Repräsentation. Dem gegenüber werden Werke gestellt, die sich einem Alterungsprozess scheinbar entziehen, indem sie als konzeptuelle Arbeiten, autorisiert durch den Künstler jedoch ohne sein neuerliches Zutun jederzeit reproduziert werden können, wie die Arbeit "The Yellow Blob Story" von Nedko Solakov.

Deponierte Bestände aus der derzeitig fast vollständig magazinierten Sammlung des LWL Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Münster, aus der Sammlung des S.M.A.K in Gent/Belgien sowie aus der Sammlung Marta Herford und der ihr anvertrauten Sammlung Karl Kerber entspannen in der Ausstellung einen ebenso kurzweiligen wie tiefgründigen Diskurs über die gespeicherten Energien des Depots.

KünstlerInnen: Franz Erhard Walther, Nezaket Ekici, Matthew Barney, Robert Barry, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Franky DC, Loek Grootjans, Louise Lawler, Piero Manzoni, Dieter Roth, Ulrich Rückriem, Wilhelm Sasnal, Oskar Schlemmer, Nedko Solakov, Pascale Marthine Tayou, Gavin Turk, Jan Vercruysse, Lois Weinberger u.a.

Kraftwerk Depot
Ein Ausstellungsprojekt in mehreren Akten
Franz Erhard Walther – Die Erinnerung der Form
Nezaket Ekici – Personal Map (to be continued…)
Frisch ausgepackt – Wie Kunst altert
8. Oktober 2010 bis 8. Januar 2011