Kolossalbauten, dekadente Feste und muskulöse Körper

24. Februar 2014 Walter Gasperi
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Mehr als die Handlung stehen bei Monumentalfilmen über die Antike Schauwerte im Mittelpunkt. Schon der für dieses Subgenre geprägte abwertende Begriff "Sandalenfilm" zeigt, wie sehr es hier um Äußerlichkeiten geht. – Zum Start von Paul W.S. Andersons "Pompeii" ein Blick auf die Geschichte dieser Filmgattung.

Schon in der Frühzeit des Films wurden sich die Filmemacher der Lust des Publikums an Schauwerten, an kolossalen Bauten und Massenszenen, an dekadenten Festen mit leicht bekleideten Frauen und grausamen Gladiatorenkämpfen, bei denen die Athleten ihren gestählten Körper zur Schau stellten, bewusst.

Dass der Monumentalfilm schon vor dem Ersten Weltkrieg in Italien entstand, hat aber auch politische Gründe. Mit Filmen über die römische Kaiserzeit wie »Die letzten Tage von Pompeji« (Luiggi Maggi, 1908), »Quo vadis« (Enrico Guazzoni, 1912) und "Cabiria" (Giovanni Pastrone, 1914) wollte der junge, erst 1870 gegründete Staat an seine einstige Größe erinnern und das Nationalbewusstsein fördern.

Deutlich wird dies vor allem in »Cabiria«, der nicht in der dekadenten antiken Gesellschaft der Kaiserzeit, sondern in der dynamischen und aufstrebenden vorchristlichen römischen Republik spielt und dieser das dekadente Karthago gegenüberstellt. In diesem Antagonismus spiegeln sich aber auch wieder die faschistischen Expansionspläne im Mittelmeerraum.

Auch in Amerika wurden diese Monumentalfilme breit rezipiert, doch David Wark Griffith soll unabhängig davon sein Epos "Intolerance" (1916) realisiert haben. Dieses ist aber trotz einer biblischen und einer in Babylon spielenden Episode aufgrund der schon im Titel erkennbaren inhaltlichen Ausrichtung nicht dem Sandalenfilm zuzuordnen, hat dessen Entwicklung aber unzweifelhaft beeinflusst.

Mit der Erstverfilmung von "Ben Hur" (1925) erreichte dieses Subgenre in den USA seinen Höhepunkt in der Stummfilmzeit. Übertriebene Berichte von Unfällen bei den Dreharbeiten, der Austausch des Regisseurs Rex Ingram durch Fred Niblo und des Hauptdarstellers George Walsh durch Ramon Novarro und explodierende Produktionskosten sorgten schon während der Dreharbeiten für Schlagzeilen. Der fertige Film setzte dann aber nicht nur mit dem furios inszenierten Wagenrennen, sondern auch mit den viragierten und farbigen Sequenzen Maßstäbe.

Blickte Hollywood in den 30er und 40er Jahren aufgrund der Weltwirtschaftskrise, ihrer Überwindung und des Zweiten Weltkriegs verstärkt auf die Realität, so erlebte der Sandalenfilm in den 50er Jahren ein Revival. Ob dazu wie beim gleichzeitig boomenden deutschen Heimatfilm eine Sehnsucht nach Realitätsflucht beigetragen hat, lässt sich schwer beurteilen, offensichtlich ist aber der Zusammenhang mit dem aufkommenden Fernsehen. Mit Massenszenen und Aufmärschen, die sich in ihrer Inszenierung an nationalsozialistischen Parteitagen orientierten, wollte man das Publikum anlocken und das Cinemascope-Format, das bezeichnenderweise bei dem Bibelfilm "The Robe" (Henry Koster, 1953) erstmals eingesetzt wurde, bot die Möglichkeit die Schauwerte noch besser auszustellen.

Die Themen variierten kaum, Remakes von "Quo vadis" (Mervin Leroy, 1951) bis "Ben Hur" (William Wyler, 1959) waren angesagt, dennoch kennzeichnet speziell ein politischer Subtext diese Periode. Denn wenn hier immer wieder der dekadenten und brutalen Großmacht Rom das Christentum gegenübergestellt wird, dann ist darin auch eine Verschiebung der Blöcke des Kalten Kriegs mit der aus amerikanischer Sicht klaren Grenzziehung von Gut und Böse in die Antike zu sehen.

Auch politisch, aber in einer anderen Richtung lässt sich Stanley Kubricks "Spartacus" (1960) lesen. Einerseits äußert sich im revolutionären Gestus und dem Kampf für Freiheit wohl Kritik an der Kommunistenjagd McCarthys – mit Howard Fast und Dalton Trumbo wirkten zwei von diesem Senator verfolgte Autoren am Drehbuch mit -, andererseits ist der schwarze Held, der Spartacus zum Aufstand motiviert, unübersehbar ein Reflex auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung um 1960.

Interessant ist auch, dass sich Hollywood in den 1950er und frühen 1960er Jahren im Bereich des Sandalenfilms vor allem auf historische Themen um die antike Großmacht Rom konzentrierte, während im ungleich billiger produzierten italienischen Pendant mythologische Themen um Muskelmänner wie "Herkules" und "Maciste" im Vordergrund standen.

Nach dem kommerziellen Desaster von "Cleopatra" (Joseph L. Mankiewicz, 1963) verschwand dieses kostspielige Genre für beinahe 40 Jahre aus den Kinos. Die Rückkehr mit Ridley Scotts "Gladiator" (2000) kam zwar auf den ersten Blick überraschend, lässt sich aber zumindest teilweise mit filmtechnischen Entwicklungen erklären. Massenszenen und Bauten, die heute nicht mehr finanzierbar wären, lassen sich nämlich inzwischen mittels Computeranimation simulieren. Die Schauwerte bleiben die gleichen, die Kosten sind niedriger und mit einem Genre-Mix aus Rachegeschichte, Actionfilm und politischem Ränkespiel werden vielfältige Zuschauerinteressen befriedigt. Die Story mag kaum neue Akzente gegenüber den Sandalenfilmen der 1950er Jahre setzen, bezeichnend ist aber, dass der früher so dominante christliche Aspekt in "Gladiator" fehlt.

Mögen in Scotts mit fünf Oscars ausgezeichnetem Film, der einen neuen Boom an Sandalenfilmen ausgelöst hat, Bezüge zur aktuellen politischen Situation fehlen, so sind sie in Wolfgang Petersens "Troja" (2004) unübersehbar. Der Feind ist hier weniger die fremde Großmacht als vielmehr der griechische Kriegshetzer Agamemnon, der die kleinasiatische Stadt Troja allein der Macht und der Schätze willen erobern will. Die mythologische Geschichte mit dem Krieg Griechenlands gegen Asien bietet einerseits Schauwerte, dient Petersen andererseits aber auch als Möglichkeit verdeckt Kritik an dem simplen Gut-Böse-Schema und der Politik von George W. Bush zu üben.

Nachdem Roman Polanskis Plan Robert Harris´ Roman "Pompeji" zu verfilmen an Finanzierungsproblemen gescheitert ist und Polanski dafür mit deutlich kleinerem Budget Harris´ "The Ghost" für die Leinwand adaptierte, bringt Paul W.S. Anderson mit "Pompeii" seine Version vom Untergang der römischen Stadt durch den Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. ins Kino. Auch dieser Stoff hat freilich in der Filmgeschichte eine lange Tradition, denn Edward Bulwer Lyttons 1834 erschienener Roman "Die letzten Tage von Pompeji" seit 1906 mindestens schon achtmal verfilmt.

Aber auch mythische Helden rückt das Kino heuer wieder in den Mittelpunkt, wenn gleich zwei Filme zu Herkules erscheinen und mit dem alten Testament hat sich Darren Aronofsky beschäftigt, dessen "Noah" im April in die Kinos kommt.

Deutscher Trailer zu "Ben Hur" (1959)