Mit "Kirchner. Das expressionistische Experiment" präsentiert das Bucerius Kunst Forum vom 29. Mai bis zum 7. September 2014 einen der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Neue Forschungen zum Werk Ernst Ludwig Kirchners geben Anlass, seltene und für sein druckgraphisches Schaffen wesentliche Blätter zu zeigen. Die Ausstellung stellt die Vielfalt an Techniken und Kirchners innovativen Umgang mit dem Medium vor. Sie vereint rund 130 oft großformatige und starkfarbige Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Lithographien aus der weltweit bedeutenden Sammlung des Brücke-Museums Berlin.
Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) zählt zu den avantgardistischen Malern des 20. Jahrhunderts, die sich im Medium der Druckgraphik künstlerisch gefunden haben. Für den Mitbegründer der Künstlergruppe "Die Brücke" war der Holzschnitt das wichtigste Experimentierfeld eines neuen expressionistischen Stils. Mit Akten, Badenden, Tanz- und Straßenszenen in der pulsierenden Großstadt Berlin vor dem Ersten Weltkrieg und einem neuen Blick auf den Menschen in den Portraits behandelte Kirchner innovative Themen der Brücke, die er durch den scharfen Schnitt und die harten Kontraste von Schwarz und Weiß kennzeichnete. Auf farbigen Papieren und mit ausdrucksstarken, leuchtenden Druckfarben verlieh er traditionsreichen künstlerischen Techniken expressiven Charakter und machte sie für die Moderne fruchtbar.
Mit seinen ersten druckgraphischen Arbeiten nahm der 24jährige Kirchner in Dresden, kurz vor der Gründung der Brücke im Jahr 1905, die Arbeit am expressionistischen Experiment auf. Es ging ihm nicht darum, Auflagenwerke zu schaffen, um seine Bilderfindungen zu vervielfältigen. Sein Verständnis des Druckens war vielmehr, mit der Druckplatte und dem Papier ein jeweils einzigartiges Werk zu schaffen. Kirchner konnte dem Holz oder Kupfer mit scharfkantigen Werkzeugen Formen abringen, die sich in keinem anderen Medium hervorbringen ließen.
Im Gegensatz zu anderen Künstlern seiner Generation, die mit Druckern zusammenarbeiteten und den Werkprozess aus der Hand gaben, zog Kirchner jedes Blatt selbst ab und ließ jeden Abzug durch eine unterschiedliche Farbgebung zum Unikat werden. Manche Drucke existieren in nur wenigen Varianten. Sie zeugen vom künstlerischen Prozess, vom Erlebnis des ersten Abzugs von der Platte, vom Stein oder Holzstock. Der Künstler war sich des experimentellen Charakters seines Vorgehens bewusst und kennzeichnete seine Abzüge als "Handdruck" oder "Eigendruck".
Der Hamburger Professor für Biochemie und Sammler Günther Gercken gewann im Lauf vieler Jahre neue Erkenntnisse über Kirchners Vorgehen, die schließlich zu Umdatierungen und Neubetitelungen in einem Werk führten, das längst erschlossen schien. Mit seinem auf sieben Bände angelegtem Werkverzeichnis wird nun Kirchners expressionistisches Experiment erneut zur Diskussion gestellt. Seit September 2013 liegen die ersten beiden Bände des neuen Projektes vor: Kritisches Werkverzeichnis der Druckgraphik: Band I und II, die Werke von 1904–1911. Erstmals führt ein druckgraphisches Werkverzeichnis nicht allein die Werke, sondern auch alle individuellen Zustände mit weitgehender Angabe der Standorte auf.
Kirchner. Das expressionistische Experiment
29. Mai bis 7. September 2014