Kim Ki-duk, Kore-eda und Winterbottom in San Sebastian

17. September 2008
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Im Jahreskreislauf der großen europäischen A-Filmfestivals ist das im spanisch-baskischen San Sebastian/Donostia (18. – 27.9.) das letzte. Nicht ganz kann es vielleicht mit Berlin, Cannes und Venedig hinsichtlich großer Namen mithalten. Mit neuen Filmen von Kim Ki-duk, Hirokazu Kore-eda oder Michael Winterbottom, ein "Best of other Festivals" in den "Pearls" hat die Atlantikstadt aber doch Einiges zu bieten – und dazu kommt ein kaum zu übertreffendes Ambiente.

Zugegeben: Die Anreise aus Mitteleuropa in die knapp 200.000 Einwohner zählende baskische Metropole gestaltet sich ein bisschen umständlicher als die nach Cannes, Berlin oder Venedig. Mit dem Flugzeug geht es wohl nur über Madrid oder via Biarritz und dann per Zug weiter und wählt man gleich den Zug muss man schon mit 20 Stunden Fahrzeit rechnen. - Doch was bekommt man über die Filme dieses 56. Filmfestivals von San Sebastian hinaus für den Aufwand geboten!

Da gibt’s zunächst einmal eine prachtvolle Lage an zwei Atlantikbuchten – und wenn alles klappt – ganz so stabil ist das Wetter am Golf von Biskaya ja nicht – wird der mitteleuropäische Sommer in den Herbst verlängert. Prachtvoll dann auch die Altstadt mit ihren Tapa-Bars auf Schritt und Tritt – und Kinoarchitektur wie man sie in Berlin, Wien oder Locarno vergeblich sucht. An modernen Großkinos kommt man zwar angesichts der Fülle der Filme und Vorführungen auch hier nicht vorbei, aber daneben gibt’s eben auch so eindrucksvolle Bauten wie den Festivalpalast von Rafael Moneo oder das fantastische Jugendstiltheater Victoria Eugenia.

Herzstück des Festivals ist der Wettbewerb um die "Goldene Muschel", um die 15 Filme konkurrieren. Eröffnet wird mit Richard Eyres mit Laura Linney und Liam Neeson prominent besetzter Verfilmung von Bernhard Schlinks Erzählung "Liebesfluchten" (Filmtitel: "The Other Man"), die außer Konkurrenz läuft. Zu den Filmen, unter denen die von US-Regisseur Jonathan Demme geleitete Regie nach neun Festivaltagen die Preise vergeben muss, gehört dagegen Hirokazu Kore-edas Familiendrama "Still Walking".

Auch Michael Winterbottom, der schon mehrfach im Wettbewerb von San Sebastian vertreten war, scheint ein Familiendrama ins Rennen zu schicken. In "Genova" erzählt der Brite von einem Vater und seinen zwei Töchtern, die nach dem Tod der Gattin bzw. Mutter in Genua versuchen ein neues Leben zu beginnen. War der Iran im letzten Jahr durch Hana Makhmalbaf vertreten, die für "Buddha Collapsed out of Shame" mit dem Jurypreis ausgezeichnet wurde, so bringt dieses Jahr ihre Schwester Samira mit "Two-Legged Horse" eine Beziehungsgeschichte an die spanische Atlantikküste.

Der Stern des Koreaners Kim Ki-duk, dem mit "Spring, Summer, Fall, Winter,... and Spring" vor wenigen Jahren sogar ein kleiner Publikumserfolg in den Arthouse-Kinos gelang, ist nach dem Meisterwerk "Bin-jip" etwas gesunken. In seinem Stil zu erstarren und in Manierismus abzugleiten, drohte er mit "The Bow" oder "Soom – Breath". Inwieweit Kim hier ein Neustart und eine Neuorientierung gelingt, wird "Dream" zeigen, in dem der Koreaner sich mit den geheimen Wünsche von Menschen auseinandersetzt.

Mit Courtney Hunts Debüt "Frozen River" kommt aus den USA der Gewinner des Großen Jury-Preises des Sundance Festivals und der Franzose Christophe Honorés bringt mit "La belle personne" eine modernisierte Version des im 17. Jahrhundert entstandenen französischen Romans "La princesse des cleves". Die Türkei ist mit Yesim Ustaoglus "Pandora´s Box" vertreten, in dem Yesim Ustaoglu von drei rund 40jährigen Geschwistern erzählt, die sich auf die Suche nach ihrer verschwundenen Mutter machen

Gewohnt stark ist in San Sebastian die Präsenz der spanischen und lateinamerikanischen Filmemacher. Der Argentinier Daniel Burman zeigt "El nido vacio", der in seinem Entstehungsland ein großer Publikumserfolg war, und aus Spanien kommen beispielsweise neben Javier Fessers "Camino", Belén Maciás´ Frauenfilm "El patio de mi cárcel" und Jaime Rosales "Tiro en la cabeza".

Neben dem Wettbewerb, einer Sparte mit Filmen junger Regisseure und der dem lateinamerikanischen Kino gewidmeten Schiene "Horizontes Latinos" bietet das Festival von San Sebastian mit den "Pearls" aber auch ein "Best of" der Festivals des letzten Jahres. Laurent Cantets Cannes-Sieger "Entre les murs" gibt es hier ebenso zu sehen wie Woody Allens "Vicky Cristina Barcelona", "Burn After Reading" von den Coen Brüdern oder Jonathan Demmes "Rachel Getting Married".

Und bleibt daneben noch Zeit – oder aber man beschränkt sich gleich darauf – so sind Höhepunkte bei den drei großen Retrospektiven garantiert: Eine Werkschau des Italieners Mario Monicelli gibt es hier ebenso wie eine des schmalen, aber eindrucksvollen Werks des Briten Terence Davies, dessen in Cannes uraufgeführter und begeistert aufgenommener Dokumentarfilm über Liverpool ("Of Time and the City") dabei auch zu sehen sein wird. Und dazu kommt die thematische Retrospektive, bei der man sich mit 43 Filmen einen ziemlich genauen Überblick über den japanischen Film noir verschaffen könnte.