KaDeWe, sechster Stock

9. September 2013 Kurt Bracharz
Bildteil

Nach Berlin komme ich nur so alle zehn Jahre, besuche dann aber immer das KaDeWe, das "Kaufhaus des Westens" in der Tauentzienstraße. Das 1907 eröffnete KaDeWe, das seit 1994 Karstadt gehört, gilt als das größte Warenhaus Kontinentaleuropas. Jetzt suchen sie dort gerade Verkäufer, die fließend Russisch oder Chinesisch können, denn Boutiquen wie die von Chopard am sogenannten Luxusboulevard im Parterre werden von immer mehr Kunden aus diesen Ländern frequentiert. Zwar kaufen auch reiche Araber nach wie vor im KaDeWe ein, aber mittlerweile kommen viel mehr Russen. Die Chinesen vermeiden bei Einkäufen im Ausland die extrem hohen Luxussteuern ihres Landes und lassen in Berlin noch mehr Geld liegen als die Russen.

Da ich weder Russe noch Chinese bin, gehe am 2004 eröffneten Luxusboulevard zielstrebig vorbei und fahre per Rolltreppen in den 6. Stock hinauf, wo sich seit den 1920er Jahren die laut Eigenwerbung größte Lebensmittelabteilung Europas und laut Wikipedia zweitgrößte der Welt befindet, mit etwa 30 Gourmetständen neben den Ladengeschäften. In den 1970er Jahren war ich auch tatsächlich beeindruckt vom Angebot des KaDeWe, bei meinem ersten Besuch kaufte ich einen großen Taschenkrebs, dessen Panzer wir dann in der Studentenbude, in der ich übernachtete, mit den Küchengeräten nicht aufbrachten. Als wir es mit dem Autowerkzeug versuchten, mussten wir dann doch lachen.

Ende der 1990er machte ich einen kleinen Test, weil mich die deutsche Angeberei ärgerte. Irgendwo hatte ich gelesen, dass man im KaDeWe so ungefähr alle Gewürze dieser Welt bekommen könne. Da wollte ich doch einmal schauen, ob ich Asa foetida eher im KaDeWe oder auf dem Wiener Naschmarkt bekomme. Im KaDeWe hatten sie damals vielleicht alle Gewürze von Firmen wie McCormack etc. in Dosen vorrätig, aber von Asa foetida hatte natürlich niemand jemals etwas gehört. In Wien ging ich zu dem Gewürzstand am Naschmarkt, verlangte Asa foetida, der Verkäufer griff nach hinten und gab mir ein Briefchen mit diesem Stinkasant, den man für gewisse asiatische Gerichte in den Topfdeckel klebt.

Im August 2013 habe ich mich nur umgesehen, ob ich zum Beispiel Schwertmuscheln oder Seeigelrogen finde (nach französischen Neunaugen-Konserven suche ich im KaDeWe erst gar nicht). Konservierten Seeigelrogen bekommt man auf dem Münchner Viktualienmarkt und in einem spanischen Geschäft in Wien, frische Seeigel sowohl am Nasch- als auch am Viktualienmarkt auf Bestellung. Im KaDeWe war nichts davon zu sehen, aber die Dorschleber von Larsen, die bei SPAR in Bregenz 1,90 kostet, steckt hier in einer Kartonschachtel, auf der "Foie gras de mer, Dorschleber in eigenem Saft und Öl" steht. Als "Foie gras de mer" kostet sie natürlich ein bisschen mehr, nämlich das Doppelte. Das Angebot an Frischfisch kam mir nicht überzeugend vor, aber vielleicht habe ich Ende August drei schlechte Tage erwischt, von den angeblich 100 angebotenen Arten habe ich nur die allergewöhnlichsten 20 zu Gesicht bekommen.

An der Austernbar gab’s zwei Überraschungen. Die erste war, dass meine Austern zusammen mit einer Zitronenscheibe einfach auf einen Teller geknallt wurden. Ein bisschen sorgfältiger arrangiert werden sie selbst bei NORDSEE in Dornbirn. Die zweite Überraschung war, dass der Mann von der Austernbar auf meine Frage nach Gillardeau-Austern sagte, sie hätten mal welche gehabt, die seien aber über dem Preisniveau gelegen, das man hier anbieten könne. Offenbar steigen die Russen, Chinesen und Araber nicht bis in den 6. Stock hinauf. Hier essen eher Deutsche und Touristen, die sich bei der Kühnheit eines Austern- oder Langustenessens selbst fotografieren.

Die grobe Serviersitte verstärkte sich an der Hummerbar. Da hätte ich für eine Hummerhälfte um 34 Euro doch erwartet, relativ frischen, warmen Hummer zu bekommen, aber die Verkäuferinnen holen eine vorgekochte Hummerhälfte aus der Kühlvitrine, legen sie auf einen Teller und stellen eine Schale mit einem rosa Dip, einem Salatblatt und einem Zitronenschnitz dazu. Das kommt mir dann doch für diese Preisklasse etwas spartanisch vor.

Recht gut ist die Sushi-Bar. Nigiri muss man einzeln bestellen, sie schmecken auch wirklich gut, sind aber doppelt so teuer wie die vergleichbare Qualität in Wien. Immerhin gibt’s hier noch Tamago, mit denen man in Wien – vermutlich mangels Nachfrage – längst aufgehört hat.

Das offensichtlich große Käseangebot, die Weinabteilung, die Bäckereien und Schokoladeateliers des KaDeWe haben mich dieses Mal ebenso wie alles, was ich nach einem Einkauf noch selbst hätte zubereiten müssen, nicht wirklich interessiert, zumindest auf manchen dieser Sektoren dürfte das Angebot des KaDeWe schon beachtlich sein. Beim Versuch, einen erstklassigen Sake zu bekommen, bin ich aber auch gescheitert, es gab nur Mittelklasse. Also nächstes Mal nur in die Austernbar.