Jesus Christ Moviestar

24. Dezember 2007 Walter Gasperi
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Quer durch die Filmgeschichte von den Brüdern Lumière bis zu Mel Gibson versuchten sich Regisseure immer wieder am Leben von Jesus. Hollywood protzte mit Großproduktionen in den 1950er Jahren, Pasolini und Scorsese zeichneten ein widersprüchliches Bild von Christus und Denys Arcand oder Herbert Achternbusch verpflanzten die Passionsgeschichte in die Gegenwart und warfen so die Frage nach der Aktualität der Evangelien auf.

Die Geschichte der Verfilmung der Evangelien ist beinahe so alt wie die Geschichte des Kinos selbst. Rund 200 Mal soll Jesus in der 110 jährigen Filmgeschichte die Hauptfigur gewesen sein. Den Anfang machten die Brüder Lumière, die schon 1897 in "Das Leben und die Passion Jesu Christi" in 13 Minuten markante Episoden aus dem Leben Jesu wie die Anbetung der Könige, die Flucht nach Ägypten und die Passionsgeschichte erzählten. Dem "realistischen" Gestus der Lumiéres steht das trickreiche Spektakel gegenüber, auf das George Méliès nur drei Jahre später mit "Christus auf den Wellen schreitend" abzielte.

In Deutschland entdeckte man die Passionsgeschichte 1911 als Filmstoff und bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstanden 17 Jesusfilme. Erste Blüte erlebte dieses Subgenre aber in den 1920er Jahren, als in Deutschland und in Hollywood mit aufwändigen Monumentalfilmen wie Robert Wienes "I.N.R.I" (1923), Cecil B. DeMilles "The King of Kings" (1926) und Fred Niblos "Ben Hur" (1925), der die Geschichte Jesus nur am Rande streift, die Menschen in die Kinos gelockt wurden.

In den folgenden zwei Jahrzehnten bestand im Kino wenig Interesse an historisch-religiösen Themen, erst in den 50er Jahren kam es in den USA zu einer zweiten Blüte des Monumentalfilms und mit ihm des Jesusfilms. Ursachen sind weniger in einem Erstarken der Religiosität zu sehen als vielmehr in der neuen Konkurrenz durch das Fernsehen. Mit aufwändigen Großproduktionen und dem Cinemascope-Format versuchte Hollywood eine Abwanderung der Kinobesucher vor die kleinen TV-Schirme zu verhindern. Weniger der Gehalt der Evangelien stand im Mittelpunkt von Filmen wie Nicholas Rays Remake von "King of Kings" (1961) oder George Stevens "The Greatest Story Ever Told" (1965) als vielmehr Massenszenen mit Prunkbauten und prächtigen Kostümen.

Kritischer setzten sich dagegen europäische Autorenfilmer mit Jesus auseinander. Pier Paolo Pasolini betonte in seinem "Il Vangelo Secondo – Matteo" (1964), den er im rückständigen Süditalien mit Laiendarstellern drehte, vor allem den sozialrevolutionären Aspekt von Jesus und des Evangeliums und unterlegte der Kreuzigungsszene ein russisches Revolutionslied. Roberto Rossellini versuchte dagegen in seinem kargen "Il Messias" (1975) die vier Evangelien fast dokumentarisch zu verfilmen.

Auch in den USA kam es in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren zu einer Wandlung. Monumentalfilme waren nicht mehr gefragt, dafür entdeckte die Hippie-Kultur in Jesus ein Vorbild. In den Musical-Verfilmungen "Jesus Christ Superstar" (Norman Jewison, 1972) und "Godspell" (David Greene, 1973) wurde die Passionsgeschichte in einen aktuellen Rahmen verpackt und mit Songs aufgepeppt.

Während Franco Zeffirellis in glatter Werbefilmästhetik gefilmter Vierteiler "Jesus von Nazareth" (1977) zum TV-Hit wurde, erregten die Monty Pythons mit "The Life of Brian" (1979) Anstoß. Übersehen haben die Kritiker dabei freilich, dass sich die britische Komikertruppe weniger über Jesus lustig macht, sondern darüber, was Filme aus Jesus gemacht haben und dass "The Life of Brian" gerade durch den Bruch mit verfestigten Bildern und Vorstellungen zum Nachdenken über Jesus und seine Lehre anregen will.

Für Kontroversen sorgte aber auch Martin Scorsese, der sich in "The Last Temptation of Christ" (1988) nicht an den Evangelien orientierte, sondern einen Roman von Nikos Kazantzakis verfilmte. Als blasphemisch sahen viele den Film, weil Scorsese Jesus nicht als Gott zeichnete, sondern die Frage aufwirft, was wäre, wenn Jesus nur Mensch gewesen wäre.

Im Gegensatz zu diesen kritischen Jesusfilmen steht Mel Gibsons "The Passion of the Christ" (2004). In drastischem Abbildrealismus, bei dem die Evangelien in fundamentalistischer Manier wörtlich genommen und Eins zu Eins in Bilder übersetzt werden, inszeniert Gibson in diesem Mittelteil seiner Trilogie der Grausamkeit ("Braveheart", 1995; "Apocalypto", 2006) die Passionsgeschichte und lässt den Film nicht mit der Auferstehung, sondern mit der Kreuzigung enden.

Da die Geschichte an sich den meisten hinlänglich bekannt ist, sind vor allem die Annäherungen spannend, die sie aktualisieren und neu interpretieren. Für einen Zensurfall in Deutschland sorgte damit Herbert Achternbusch, der in "Das Gespenst" (1982) einen Heiland vom Kreuz eines Klosters steigen und durch Bayern wandeln lässt. In radikaler Bildsprache wirft Achternbusch dabei die Frage auf, was Jesus tun würde, wenn er heute nach Bayern käme.

Weniger drastisch, aber sehr komplex setzt sich auch Denys Arcand in "Jesus von Montreal" (1989) mit der Aktualität der Evangelien und der Kirche von heute auseinander. Ausgehend von der Neuinterpretation der Passionsgeschichte durch einen jungen Montrealer Schauspieler, entwickelt Arcand darin eine pointierte Gesellschafts- und Kirchenkritik.

Abgeschlossen ist die Geschichte der Jesusfilme mit den bisherigen Bearbeitungen aber sicher nicht. - Solange es das Kino gibt, wird sie wohl immer wieder neu erzählt und neu interpretiert werden.