Jesse James - Mann ohne Gesetz

31. Januar 2019 Walter Gasperi
Bildteil

Henry Kings Western über den legendären Outlaw ist 80 Jahre alt, hat aber kaum Staub angesetzt und schneidet durchaus aktuelle Fragen um Recht und Gerechtigkeit und Widerstandsrecht gegen rücksichtslose Konzerne an. Bei Koch Media ist dieser Klassiker auf DVD und Blu-ray erschienen.

Das Leben keines anderen amerikanischen Outlaws wurde wohl so oft verfilmt wie das von Jesse James (1847 – 1882). Samuel Fuller hat sich aus der Perspektive von James´ Mörder Bob Ford in "I Shot Jesse James" (1949) ebenso damit auseinandergesetzt wie Nicholas Ray in "The True Story of Jesse James" (1957). In den 1970er Jahren drehten Philip Kaufman mit "The Great Northfield Minnesota Raid" (1972) und Walter Hill mit "Long Riders" (1980) zwei Spät-Western darüber und in den 2000er Jahren entstanden Les Mayfields wenig bekannter "American Outlaws" (2001) und Andrew Dominiks grandios fotografierter, elegischer "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford" (2007).

Die Basis für alle diese Filme legte aber wohl Henry King 1939 mit seinem "Jesse James", der auch zum Vorbild für zahlreiche andere Western über Outlaws wurde, aber auch Elemente der damaligen Gangsterfilme auf das Westerngenre übertrug.

Ein Insert informiert über den Eisenbahnbau und das rücksichtslose Vorgehen der Eisenbahngesellschaften, die Farmer unter Druck setzen und das Land um einen Spottpreis abkaufen. Durchaus als Parallele zu der in den 1930er Jahren zahlreichen Pfändung von Farmen durch die Banken, die nach der Weltwirtschaftskrise Kredite eintrieben, kann man diese Szenen sehen.

In knappen Zügen zeigt King das Vorgehen der Vertreter der Eisenbahngesellschaft, bis sie bei der Farm der Familie James auf Widerstand stoßen. Die Mutter will zwar das Kaufangebot unterschreiben, die Söhne Frank (Henry Fonda) und Jesse (Tyrone Power) wollen aber einen Anwalt zu Rate ziehen. Der Konflikt schaukelt sich hoch, die James-Brüder geben nicht klein bei und stehen bald außerhalb des Gesetzes, das der Chef der Eisenbahngesellschaft mit seinem Einfluss biegt.

Fragen von Recht und Gerechtigkeit, die Verflechtung von Großkapital und Politik werden ebenso angeschnitten wie die Rolle der Presse, die aber komödiantisch überzeichnet wird, wenn der Chefredakteur als Running Gag von der Eisenbahngesellschaft bis zu Anwälten und Zahnärzten stets neue Opfer für seine Angriffe findet.

So erzählt King auch vom Beginn des Kapitalismus und der Unterdrückung der kleinen Farmer durch das Großkapital. In Jesse James sehen sie keinen Verbrecher, sondern ihren Held, der sich auflehnt. Er ist ein Wutbürger, ein Vertreter der Zivilgesellschaft gegen die Mächtigen, der nicht aus eigenem Willen, sondern vielmehr gezwungen durch die Umstände zum Outlaw wird. Die gesellschaftliche Bedingtheit seines Handels verbindet Jesse James dabei wieder mit den Gangstern der US-Filme der späten 1930er Jahre.

Aber der Film übt auch - zumal in der pathetischen Grabrede am Schluss - Kritik an der Maßlosigkeit dieses amerikanischen Pendants zu Kleists "Michael Kohlhaas". Dass er sich durch seine Taten, vor allem aber durch die gespannte Beziehung zu seiner Frau, die er kaum sieht, verändert, wird deutlich, wenn sich die Gang von ihm abwenden will und sein Bruder Frank ihm vorwirft "Du bist ein tollwütiger Hund". Am Ende steht freilich der Beschluss zur Abkehr vom Verbrecherleben, doch diese Umkehr kommt zu spät.

Ungemein rasant und prägnant hat King den Beginn inszeniert. Geschickt rafft er die Handlung später immer wieder, indem er Überfälle und andere Ereignisse mit Zeitungsschlagzeilen zusammenfasst, lässt sich dafür Zeit bei anderen Szenen. Action fehlt nicht, aber im Zentrum steht doch immer die Herausarbeitung der Beziehung zwischen dem Outlaw und seiner Umwelt: die Begeisterung der kleinen Farmer für ihn, der hinterhältige Chef der Eisenbahngesellschaft, die Belastung der Ehe durch die ständige Angst vor Entdeckung, die stille Liebe des aufrechten Marshals zu Jesses Frau und der Konflikt Jesses mit seiner Bande.

Das ist auch 80 Jahre nach seiner Entstehung immer noch ein meisterhafter Western, der eben nicht nur großzügige und spannende Unterhaltung bietet – die humorvollen Passagen wirken deplatziert -, sondern auch unaufgesetzt, aber eindrücklich zeitlose und universelle Themen verhandelt.

An Sprachversionen verfügt die bei Koch Media erschienene DVD und Blu-ray über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie über Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben einer Bildergalerie und dem US-Kino-Trailer eine 15-minütige Super-8-Version des Films.

Trailer zu "Jesse James - Mann ohne Gesetz"