"Jäger & Sammler" in der Esslinger Villa Merkel

Die Villa Merkel, Galerien der Stadt Esslingen am Neckar, präsentiert eine international bestückte Gruppenausstellung zum Thema Jagen und Sammeln. Gezeigt werden Fotografien, Videos, Skulpturen, Installationen und Objekte von David Chancellor, Henry Coombes, Sinje Dillenkofer, Mark Dion, Daniel & Geo Fuchs, Christian Gonzenbach, Roderick Hietbrink, Carsten Höller, Christian Jankowski, William Lamson, Claus Kienle, Isa Melsheimer, Guy Oberson, Simona Pries, Glen Rubsamen, Erik Schmidt, Andreas Slominski, Tinkebell und Francis Zeischegg.

In Zeiten, in denen einerseits der tägliche Bedarf an Nahrungsmitteln im Supermarkt gedeckt wird, während das Kunstwerk "mehr und mehr eine Trophäe geworden ist", auf die sich der Jagdtrieb der Sammler richtet, andererseits aber eine Vielzahl von Jägern nach wie vor aktiv ist und deren Lobby die Anerkennung der Jägerschaften als Tierschutzvereine einklagt, stellt sich die Frage, wie weit sich der Mensch eigentlich von dem Wildbeuter entfernt hat, der er einst gewesen ist.

Jäger und Sammler: Das Begriffspaar aus der Anthropologie spielt auf ein vergangenes Kapitel der Menschheitsgeschichte an, doch ist dieses Kapitel wirklich abgeschlossen? Sind Jagdtrieb und Sammelleidenschaft nicht immer noch Motoren menschlichen Handelns – verfeinert nun als zwei verwandte und sich weiterhin ergänzende Kulturtechniken, zwei Wege der Auseinandersetzung mit und Aneignung von Natur? Ob der Beute nun in Fauna, Flora oder Ars nachgestellt wird: Im Horten der Trophäen wird der Jäger zum Sammler, im Verfolg seltener Stücke der Sammler zum Jäger.

Die Ausstellungsbeiträge sind vielfältig, auch ungewöhnlich, bisweilen kritisch oder anrührend und bieten Einsichten in Motive und Formen heutigen Jagens und Sammelns aus Perspektive der Künstlerinnen und Künstler. Wie viel "Jäger und Sammler" steckt also noch in uns, fragen Künstler wie Christian Jankowski, der in seiner Video-Performance "Die Jagd" seine Beute mit Pfeil und Bogen im Supermarkt erlegt. Sind das Jagen und das Sammeln in der Natur des Menschen fest verankert, im Kern zeitlos und archaisch, oder sind sie mittlerweile doch zu verfeinerten Kulturtechniken avanciert?

Welche der von Mark Dion auf Kleiderständern präsentierten Jagdmonturen zieht sich der Jäger von heute an, welche entspricht seinem Selbstverständnis: sicher nicht mehr die des Caveman, vielleicht noch die des aristokratisch geprägten Fuchsjägers oder doch die des Bogenschützen im Tarnanzug? Geht ihm die Jagd nach wie vor durch den Magen wie Dions "Schlemmer" (The Glutton), dem der amerikanische Künstler im Park vor der Villa Merkel eine überbordend mit jagdlichem Dekor und Wildbret gefüllte Hütte errichtet?

Carsten Höller entdeckt die Ästhetik der Pilze jenseits der Nahrungsbeschaffung und geht auf Jagd nach besonders kunstvollen oder psychoaktiv wirksamen Exemplaren, während sich Isa Melsheimer in ihrer Installation auf die Spur einstiger "Pflanzenjäger" begibt und botanischen Exoten eine Sammlung unbeachteter Zimmerpflanzen entgegensetzt. In einer Art Sammlerkabinett oder Studienzimmer, wie es sich frühere Fürsten anlegten, um aus ihrer Sicht der Welt ein Panoptikum von Natur und Kunst zu schaffen, vereint Glen Rubsamen kuriose Ausschnitte heutiger Kulturlandschaften…

Längst ist die Zeit vorbei, da wir die Flora und Fauna der alten Welt als Jäger und Sammler auf der Suche nach Essbarem durchstreiften. Doch dieses Kapitel der Menschheitsgeschichte scheint nicht wirklich abgeschlossen. Jagdtrieb und Sammelleidenschaft sind noch immer noch Motoren menschlichen Handelns.


Jäger & Sammler in der zeitgenössischen Kunst
14. März bis 17. Mai 2015