Internationale Grafiktriennale Wien 2007

Im Wiener Künstlerhaus wurde die Grafik Triennale Ausstellung "print" eröffnet; sie kann noch bis 12.10.2007 besichtigt werden. Ein reichhaltiges Begleitprogramm ergänzt die Schau. Die Trienale, seit 1966 eine der grössten und wichtigsten Veranstaltungen für Druckgrafik, ist seit 2006 eine Kooperation zwischen der Grafikriennale Krakau, dem Horst-Janssen-Museum Oldenburg und dem Künstlerhaus Wien.

Zur Eröffnung ins Künstlerhaus kam relativ wenig Publikum. Um so gewichtiger waren die vier überlangen, ermüdenden Eröffnungsreden, um so bedeutsamer geben sich die Expertenworte im Katalog. Auch das politische Moment, das früher vor allem im kommunistischen Einflussbereich unter der Marke "Völkerfreundschaft und –verständigung" lief, wird bemüht, allerdings modern an den vermeintlichen EU-Geist angepasst. Trotz aller teuren Bemühungen, die Veranstaltung als "Event" höher zu stellen, als sie ist bzw. sein kann, bleibt ein ernüchternder Nachgeschmack: Mehr Wollen als Können, höherer Anspruch als Erfüllung. Viel (Selbst)Täuschung. Viel Pseudo.

Die Ausstellung ist interessant. Weil sie zeigt, dass eine Krise herrscht, die gerade von den Betroffenen entweder nicht wahrgenommen oder wegretuschiert wird. Sie zeigt ein Dilemma des Mediums, des künstlerischen Verständnisses und der Rollenerfüllung. Sie belegt ein Kunstmarktproblem. Einiges lässt sich im ansprechend gestalteten Katalog (Format 300 x 230 mm, 150 Seiten, 25,00 Euro) nachlesen.

Die Veranstaltung steht, wie bei uns üblich, unter einem Ehrenschutz. Immer noch tut man so, als ob derartige Unternehmungen eines Schutzes bedürfen. Wenn ich in einer intoleranten Gesellschaft lebe, kann ich ja verstehen, dass für ausserordentliche Ereignisse ein Schutz gesucht und gewährt wird. In einer sich frei nennenden Gesellschaft müsse ein "Ehrenschutz" obsolet sein. Dass er es nicht ist, sollte zu denken geben! Es gibt auch ein Ehrenkomitee, was verständlich ist, weil man den Leuten und den Organisationen dahinter danken will. Auch das zeigt, dass vieles nur mehr möglich ist, wenn staatliche oder öffentlich-rechtliche Einrichtungen entsprechend mitwirken. Freie Gesellschaft, freier Kunstmarkt? Na ja. Die Politik hängt sich nicht nur parasitär an, sie gibt vor, sie lenkt, obwohl sie vom Gegenteil, von der Freiheit redet. (Das wäre eine eigene Untersuchung wert!)

Die Worte des Präsidenten der Internationalen Grafiktriennale Krakau, Prof. Witold Skulicz, klingen quer in ihrer Jubelsprache, die unsereinen an die Sowjetzeit erinnern, obwohl er natürlich offen, modern seine und der Triennale Sache vertritt und höchst verdienstvoll damit ist. Aber seine Botschaft klingt mir peinlich: "In vielen Jahren ihres Bestehens haben sie (die Triennalen) die Kunstsparte Grafik – so reich an kreativer Inspiration – zur Mitgestalterin des Evolutionsprozesses, dem die Weltkunst seit Jahrhunderten unterliegt, gehoben."

Puh! Weltkunst, Evolutionsprozess. Kunstdarwinismus! Noch Worte? Ja: "Allein die Grafik, ihre Kraft aus der Zivilisation des Papiers schöpfend, inspiriert die Künstler zum Organisieren und zur Teilnahme an großen Ereignissen, großen kreativen Begegnungen, die in der Welt der reinen Intentionen und Werte zu Stande kommen. Heute pflanzt Wien ein neues Bäumchen der gemeinsamen Erfüllung auf der weltweiten Arena der Grafikkunst."

Ich fühl mich gepflanzt vor lauter solchen Bäumchen in der weltweiten Arena der "reinen Intentionen und Werte". Es ist weniger das Papier, das animiert und motiviert, nehme ich an, als das Bedürfnis, seinen Platz am Markt zu erlangen und zu sichern oder auszubauen. Es sind die neuen Techniken der Computergrafik einerseits und ihre unlogische Übertragung auf alte Träger, nämlich Papier, andererseits, die die Krise belegen oder zumindest andeuten, was gerade durch solches Schwulstdenken und Reden verdeckt wird.

Der Kokurator Georg Lebzelter schwelgt auf seine Weise: "Freigesetzt hat sie sich, die gegenwärtige Druckgrafik"! Also war sie vorher unfrei. Wovon hat sie sich denn freigesetzt? Vom Papier? Dann wäre sie keine Druckgrafik. Ah, indem sie neue Medien erprobt. Wieso aber überhaupt noch DRUCKgrafik? Weshalb nicht nur elektronisch, am Monitor, im weltweiten, grenzenlosen Netz? Weil das weniger gut verkäuflich wäre, weil das Haptische fehlte? Weil die unfreie mediale Einengung oder bedingte Reduktion doch besser für Galerien und Museen taugt?

Lebzelter erklärt ein weiteres Freiheitsmoment: "Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Druckgrafik klar definiert, hauptsächlich auf kleinformatige Flachware reduziert und in Kabinette gesperrt worden ist." Aha. Aber die Druckgrafiken sind nach wie vor "Flachware". Gibt es dreidimensionale Drucke? Ja, als Aufdrucke auf Körper. Aber das ist etwas Anderes. Was der Grafiker Lebzelter wohl meinen mag? Die neue Freiheit aus einer weniger klaren Definition? Freiheit aus Unvermögen?

Und tatsächlich: alles ist möglich. Die Ausstellung zeigt so viel Ähnliches und doch unterschiedlich sein Wollendes, dass man bestätigen kann: neue Freiheit gewonnen. Aber um den Preis der Verbindlichkeit. Das meiste entwertet sich in dieser modisch chicen Unverbindlichkeit. Wie kunstgewerbliche Dekoration. Wie Materialien oder Begleitprodukte von "Events" und Aktionen. Wie Dokumente von Prozessen. Nicht aber Artefakte, die sich selbst genügen bzw. ihre Genuinität innehaben.

Weiter der Kurator: "Selbstbewusst erobert sie Räume, tritt in unserer Präsentation ohne Rahmung den BetrachterInnen direkt und unmittelbar als Printobjekt entgegen, als sinnlich erfahrbares Resultat eines künstlerischen Prozesses."

Na, das ist aber nicht neu. Welche bisherige Kunst wurde nicht sinnlich erfahren? Welche Erfahrung wäre unsinnlich? Dass die Neuerung, ohne Rahmen gegenüberzutreten, die Unmittelbarkeit ausmache, ist doch eher ein schwaches Argument. Wie überhaupt der Rekurs auf Unmittelbarkeit für "Repräsentationen" eigentümlich ist, da eine solche höchstens auf einer Metaebene verstanden werden könnte. Denn unmittelbar wäre das Präsente, die Präsentation. Jede mediale Wiedergebe re-präsentiert. Von welcher Unmittelbarkeit redet Lebzelter?

Ich habe mir einige Kataloge aus Krakau, Laibach und Prag angesehen. Der Hauptunterschied von Ausstellungen vor zwanzig Jahren zu gegenwärtigen liegt nur im gesteigerten Einsatz von Computern für grafische Arbeiten. Nicht aber im Medium Druckgrafik. Hier regiert ein Missverständnis. Viele Prozesse werden "modern" elektronisch durchgeführt, die Resultate aber im alten Medium fixiert. Weshalb? Man schwindelt, indem man so tut, als ob der Druck der Druckgrafik eine Eigenqualität hätte, die die Arbeit vom sonst ununterscheidbaren digitalen Simulakrum der Computerspeicherung abhebe. Der "Wert" der Computerarbeit liegt in einem ganz anderen Bereich als der materialen, durch den Druckvorgang in einem alten Medium.

Eine ähnliche Problematik ergab sich ja früher für die Fotografie: wie kann einem Medium, das sich leicht reproduzieren lässt, die auratische Eigenheit als Qualität verpasst werden, so dass, orientiert am Originalitätsfetisch und am Eigentumsbegriff, Ware als Unikat verkauft und erworben werden kann?

So auch in der Druckgrafik. Hier schwindeln die Künstler und ihre schwätzenden Vermittler, indem sie auf Eigenheit pochen, die pseudo und erschlichen ist. Indirekt und nicht intentiert widerspiegeln sie damit ein politisches, gesellschaftliches Problem: das der Warenproduktion in einer Klassengesellschaft. Es geht um Besitz und Veräusserung, es geht um Waren- und Gebrauchswert. Das soll aber nicht offen debattieret werden, weil sonst der Prozess "profan" ernüchternd würde und wir ja, siehe oder höre die Einleitungsworte des Präsidenten, lieber von "reiner Intention und Werten" reden sollen und Bäumchen im Garten des Kunstmarktes.


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Internationale Grafik Triennale
Krakau – Oldenburg – Wien 2007
5. September bis 12. Oktober