In der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein ist Clemens von Wedemeyer mit drei charakteristischen Videoinstallationen und zwei skulpturalen Werken vertreten. Die in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler erarbeitete Einzelpräsentation verbindet eine Auswahl daraus mit neueren Werken.
"Bei mir entwickeln sich Geschichten oft um eine vorgefundene Situation und einen Ort", so Clemens von Wedemeyer. Der Künstler, der sich mit seinen Film- und Medieninstallationen vielfach zwischen realen Situationen und spekulativen Nacherzählungen bewegt, untersucht Strukturprinzipien sowohl in gesellschaftlichen und historischen Kontexten als auch im Medium Film selbst. So lässt er zumeist die Umstände der Entstehung seiner Werke in seine Werke einfliessen. In der Ausstellung liegt ein Fokus auf dem Verhältnis von Film und Skulptur und deren implizierter Geschichtsschreibung. Es wird anschaulich, wie Skulpturen scheinbar zum Leben erweckt werden können und wie Immaterielles wiederum Form erhalten kann.
Im Zentrum der Präsentation steht der Film "Otjesd" aus dem Jahr 2005, der zusammen mit der begleitenden Dokumentation "The Making of Otjesd" gezeigt wird. "Otjesd" (Weggang) handelt vom Prozedere der Emigration von Russland nach Deutschland. Eindrücke, die von Wedemeyer bei Recherchen 2004 in Moskau gewann, liegen dieser Reinszenierung zugrunde. In Berlin-Pankow, auf der ehemaligen Todeszone, stellte der Künstler im Freien mit russischen Immigrant:innen als Darstellenden die Szene nach, wie sie vor dem deutschen Konsulat in Moskau für ihr Visum anstehen. Verschiedene Momente lassen die Turbulenz und Gereiztheit am Kontrollpunkt spürbar werden. Der Film ist in einer einzigen ungeschnittenen 15-minütigen Kameraeinstellung gedreht und wird als Endlosschleife gezeigt.
"The Making of Otjesd" gewährt Einblick in Recherchematerial, zeigt das Setting des Films und lässt die Darsteller:innen zu Wort kommen, die von ihren eigenen Migrationserfahrungen erzählen. Die Arbeit, die für die erste Moskau Biennale entstand und dort gezeigt wurde, besitzt angesichts der derzeitigen Kriegssituation eine hohe politische Brisanz.
"A Recovered Bone (2001: A Space Odyssey)" aus dem Jahr 2015 ist das erste dreidimensional gedruckte Werk des Künstlers und materialisiert ein ikonisches Objekt der Filmgeschichte: Ein in die Luft geworfener Knochen, der sich in ein Raumschiff verwandelt – bekannt aus der Eröffnungsszene von Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" (1968) –, wird mittels neuester 3D-Drucktechnologie in eine dreidimensionale Form verwandelt, die an ein archäologisches Fundstück erinnert. Mit der Arbeit "Untitled (Cleopatra)" von 2014–2019 wiederum scheint von Wedemeyer eine Skulptur zum Leben zu erwecken, die gerade ihre Sprache findet.
Die Ausstellung zeigt weiters die monumentale Videoinstallation "Vermin of the Sky (Brno Piece)", 2017: Skulpturen, Statuen und Denkmäler fliegen schwerelos durch die Dunkelheit des Alls. Dabei werden sie nicht nur ihrer repräsentativen Funktion und ihres Erinnerns enthoben, sondern sie zerschellen und werden zu Asteroiden bzw. im übertragenen Sinne zu "Staub". In Vitrinen ausgestellte Blaudrucke geben Einblick in Clemens von Wedemeyers aktuelles Projekt, in dem ihn die Frage beschäftigt: Wie werden unsichtbare Daten und abstrakte Algorithmen, die unseren Alltag mitbestimmen, sichtbar?
Clemens von Wedemeyer (*1974 in Göttingen, Deutschland) lebt und arbeitet in Berlin und hat eine Professur für Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig inne. Der Künstler und Filmemacher studierte Fotografie und Medien an der Fachhochschule Bielefeld und der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und schloss sein Studium 2005 als Meisterschüler von Astrid Klein ab. Clemens von Wedemeyer nahm an Gruppenausstellungen wie der 1. Moskau Biennale (2005), der 4. Berlin Biennale (2006), Skulptur Projekte Münster 2007, der 16. Biennale of Sydney (2008) und der Documenta (13) (2012) teil. Einzelausstellungen hatte er unter anderem im MoMA PS1, New York, Argos Centre for Art and Media, Brüssel, Barbican Art Centre, London, Frankfurter Kunstverein, Museum of Contemporary Art, Chicago, und in der Hamburger Kunsthalle.
Im Kontext der Sammlung:
Clemens von Wedemeyer
1. September 2023 bis 28. Januar 2024
Eine Produktion des Kunstmuseum Liechtenstein, kuratiert von Christiane Meyer-Stoll.