Im Glanz der Zaren

Die Große Landesausstellung führt den "Glanz der Zaren" in seiner ganzen Vielfalt vor Augen. Kostbare Objekte vermitteln eine Ahnung von der Pracht des Zarenhofs und dem unermesslichen Reichtum der Romanows. Luxuriöse Gebrauchsgegenstände, Prunkservice und Schmuck aus der Aussteuer der Zarentöchter Katharina und Olga sorgten im armen und bescheidenen Königreich Württemberg für Aufsehen. Von der Selbstinszenierung und dem vornehmen Auftreten, aber auch vom Charakter der Fürstinnen zeugen eindrucksvolle Porträts.

Jenseits des materiellen Glanzes sind andere Objekte gleichsam von der ehrwürdigen Aura des Zarentums mit seinen Traditionen umgeben. So erinnert das Krönungskleid der "württembergischen" Zarin Maria Fjodorowna an das theatralische Krönungszeremoniell. Vor seiner Präsentation in Stuttgart – zusammen mit äußerst modischen Krönungsschuhen – hatte das silberbestickte Kleid seinen Aufbewahrungsort, die Rüstkammer im Kreml, noch nie verlassen. Krönungsalben aus Privatbesitz belegen, dass zur Erinnerung an die Krönungsfeierlichkeiten der beiden letzten Zaren aufwendige Buchpublikationen Verbreitung fanden.

So wie beim Krönungsritual in der Maria-Entschlafens-Kathedrale des Kreml die göttliche Einsetzung des Herrschers symbolisch vollzogen wurde, ist für das Zarentum insgesamt das Festhalten an den Traditionen der orthodoxen Kirche charakteristisch. Es erstaunt daher nicht, dass die Romanows von den eingeheirateten Württembergerinnen den Übertritt von der protestantischen zu orthodoxen Konfession erwarteten – der mit einer erneuten Taufe und dem Namenswechsel verbunden war. Umgekehrt ließen sich die Romanow-Töchter das Recht zur Ausübung ihrer orthodoxen Religion in Württemberg per Ehevertrag zusichern. In den von ihnen bewohnten Gebäuden in Stuttgart wurden Kapellen eingerichtet.

Vom Glanz der orthodoxen Liturgie sprechen sakrale Gegenstände aus der Mitgift und dem persönlichen Besitz Katharinas, wie Ikonen, ein Tabernakel, eine Abendmahlsgarnitur aus Jaspis und Gold oder ein Weihrauchgefäß. Einblick in die prachtvoll ausgestatteten Andachtsräume Königin Olgas im Neuen Schloss und im Kronprinzenpalais gewähren zeitgenössische Aquarelle. Und von der nach orthodoxem Ritus vollzogenen Trauung Weras mit dem württembergischen Herzog Eugen zeigt die Ausstellung russische Trauungskronen. Das repräsentative Leben am Hof findet im Idealfall einen entsprechenden Ausdruck in kulturellem Glanz. Dieser zeigt sich, wie die Ausstellung am Beispiel seiner adligen Protagonistinnen verdeutlicht, in der Wertschätzung von Wissenschaft, Dichtung, Musik und Bildender Kunst.

Beachtung finden auch die ausgedehnten (Bildungs-) Reisen der fünf Frauen, bei denen sie teils auch als Sammlerinnen und Förderinnen von Kunst auftraten. Dem kulturellen Leben in St. Petersburg verlieh besonders die aus Württemberg stammende Großfürstin Elena Pawlowna höchsten Glanz. Anhand von Gemälden und Möbeln erhalten die Besucher Einblick in den Michailowski-Palast, einen der vornehmsten Paläste der Kapitale. Hier traf man sich bei erlesenen Salonveranstaltungen und bei musikalischen Soireen, hier waren Literaten, Wissenschaftler, aber auch Musiker wie Anton Rubinstein oder Richard Wagner zu Gast.

Der Glanz der Zaren manifestiert sich nicht zuletzt in der Wohnkultur mit ihren privaten und repräsentativen Räumen. Erlesene Möbel, darunter ein Schreibschrank von Königin Katharina, Einrichtungsgegenstände, aber vor allem detaillierte zeitgenössische Ansichten aus Palast- und Schlossräumen in Stuttgart und St. Petersburg lassen den Betrachter in prächtige und liebevoll arrangierte Interieurs blicken. Ganz besonders die "Porträts" der Räume im Stuttgarter Kronprinzenpalais, im Neuen Schloss oder der Villa Berg im Olga-Album geben Aufschluss darüber, welche Akzente die Zarentochter in der Innenausstattung setzte und wie sie sich an russischen Vorbildern orientierte.

Ihre glanzvolle Position und ihr Reichtum hat die Fürstinnen nicht blind gemacht für Armut, Hunger und Krankheit in der Bevölkerung. Das zeigt die beeindruckenden Vielfalt der von ihnen gegründeten oder unterstützten sozialen Einrichtungen. Manche dieser Institutionen haben bis heute Bestand. Die Ausstellung verdeutlicht, dass das soziale Engagement zwar traditionell zu den Aufgaben der weiblichen Mitglieder des Zarenhauses gehörte, von den fünf Frauen aber als Antwort auf die jeweiligen Anforderungen ihrer Zeit mit persönlichem Einsatz und Ideenreichtum wahrgenommen wurde.

Damit die Individualität der weiblichen Hauptfiguren nicht neben dem repräsentativen Glanz der dynastischen Verbindungen verblasst, lässt die Ausstellung auch Raum für private Zeugnisse. So sind Erinnerungsstücke an die Heimat und an geliebte Verwandte aus dem Besitz der Fürstinnen zu sehen: das Nähkästchen der Mutter Maria Fjodorownas, Tassen mit Porträts von Familienmitgliedern oder die Mineraliensammlung von Königin Olga. Persönliche Dokumente wie Briefe, ein Reisetagebuch, kleine Zeichnungen und Familienfotos künden von Heimweh, Erlebnissen und dem Familiensinn der Fürstinnen.

Schließlich präsentiert die Ausstellung auch private Objekte wie Rauchset und Lorgnon von Herzogin Wera, aber auch solche, die gleichsam als Reliquien oder Zeugnisse eines frühen Starkultes überliefert wurden, etwa Handschuhe und – für sich gesehen – wertlose Schreibutensilien der früh verstorbenen Königin Katharina.

Im Glanz der Zaren
Die Romanows, Württemberg und Europa
5. Oktober 2013 bis 23. März 2014