Ikonen der amerikanischen Architekturmoderne

Parallel zur Ausstellung "Richard Neutra in Europa. Bauten und Projekte 1960 - 1970" zeigt das Marta Herford eine Ausstellung mit Aufnahmen des legendären Fotografen Julius Shulman, die das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM) erarbeitet hat. Wie kein zweiter Fotograf hat Shulman (1910–2009) unter anderem die Bauten Richard Neutras aber auch anderer Protagonisten der amerikanischen Architekturmoderne begleitet und damit Ikonen des American way of life geschaffen.

Die erste zufällige Begegnung mit Richard Neutra 1936, die Fotos, die auf dessen Baustelle des später berühmten Kun-Hauses entstanden, um die Wartezeit zu verkürzen, die verblüffte Begeisterung des Architekten für den eigenwilligen Blick des Fotografen, das legte den Grundstein zu einer über Jahrzehnte währenden Karriere. Und noch viel mehr: Shulman war Geburtshelfer eines eigenen Genres, der Architekturfotografie. Denn auch wenn er selbst sich nicht als Häuserfotograf festlegen lassen wollte, darin hat er – überwiegend autodidaktisch – seine Kunst am weitesten entfaltet, damit ist er international berühmt geworden. Dank seiner Fotos und der Tatsache, dass Architektur ab den 1930er Jahren allmählich den Weg aus den reinen Fachzeitschriften herausfand, wurden Richard Neutra, Pierre Koenig, Rudolf Schindler und andere Architekten der amerikanischen Moderne erst einem breiten Publikum bekannt. "Öffentlichkeitsarbeit für Architekten" nannte Shulman das, wohl wissend, dass beide Seiten von dieser fruchtbaren Zusammenarbeit profitierten.

Julius Shulman hatte als einziges von fünf Geschwistern eine Universität besucht, fand dort aber keine Erfüllung und begann Anfang der 1930er Jahre mit einer Vestpocket-Kamera zu fotografieren. Später, bei seinen offiziellen, auch internationalen Aufträgen, hatte er immer konkrete Vorstellungen davon, wie er ein Haus und seine Umgebung inszenieren wollte. Seine Fotos sind Erzeugnisse stunden- oder gar tagelanger Vorbereitung, Gesprächen mit dem Auftraggeber, Warten auf den richtigen Lichteinfall, den exakten Schatten, die Ausleuchtung bestimmter Winkel des Innenraums. Oft entstand nur ein Foto, DAS Foto, das Shulman zufrieden stellte, mit dem er die Häuser der Wirklichkeit entrückte und eine neue, erwünschte Realität entstehen ließ. Gemogelt hat er dennoch nicht, sondern Schauen gelehrt. Was durchaus auch bedeuten konnte, dass ein Auftraggeber am Ende überzeugt von einem Ergebnis war, das mit dessen ursprünglichen Vorstellungen nichts zu tun hatte. Beeindruckend ist, dem Aufbau eines Bildes zu folgen. Denn schon bei der Komposition bezog Shulman den zukünftigen Betrachter mit ein. Er lenkt den Blick entlang gerader und geschwungener Linien vom Vordergrund über Umwege bis in den Hintergrund des Fotos. Den Meisten dürfte nicht bewusst sein, dass ihnen dadurch keine Einzelheit entgeht.

Mit dem Aufkommen der Postmoderne, deren Architektur ihn nicht interessierte, unternahm Shulman einen Versuch, sich zurückzuziehen. Wer ihn noch mit weit über 90 Jahren zwar mit Stock aber hochkonzentriert (seit 1999 an der Seite seines Partnerfotografen Jürgen Nogai) Einstellungen diskutieren sah, verstand schnell, dass der Ruhestand nicht seine Lebensform war. Als 2005 das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt anlässlich seines 95. Geburtstags einen Querschnitt seines Werks zeigte, reiste der alte Herr vergnügt an und wickelte das Publikum mit seinem Charme ein. Kurz zuvor hatte er sein Archiv mit geschätzten 100.000 Negativen und Abzügen an das Getty Research Institute, Los Angeles, übergeben. Sein Haus und Studio in den Hollywood Hills, eine Ikone der Moderne von Raphael S. Soriano, das er seit 1950 bewohnte, stand Besuchern stets offen. Dort ist Julius Shulman im Juli 2009 gestorben, nachdem er über 70 Jahre lang die Architektur dokumentiert hat wie kaum ein anderer.

A lifetime for architecture
Der Fotograf Julius Shulman
8. Mai bis 1. August 2010