IFFI 2008: Inhaltlich interessante, aber formal biedere Filme

Politische und gesellschaftskritische Themen dominierten beim 17. Internationalen Film Festival Innsbruck. Kein Bollywood und keine exotisch-farbenprächtigen Filme aus Afrika standen im Mittelpunkt, sondern Filme, die sich wie auch der mit dem Filmpreis des Landes Tirol ausgezeichnete "Un matin bonne heure" mit der aktuellen Situation oder der jüngsten Vergangenheit der Herkunftsländer auseinandersetzen. - Formal Innovatives und Aufregendes suchte man bei diesem Festival allerdings erfolglos.

Die Terminisierung des Festivals unmittelbar vor der Fußball-Europameisterschaft und den Tiroler Landtagswahlen war nicht unbedingt geschickt. Abseits der Kinos war das Festival in der Stadt im Gegensatz zu den Wahlplakaten und den Vorbereitungen für das Public Viewing in der Maria-Theresien-Straße kaum präsent. Auch die Preisverleihung wurde durch die Eröffnung der Euro sichtlich an den Rand gedrängt, fand nicht im Rahmen einer Filmvorführung am Samstag abend, sondern schon am Vormittag statt.

Die richtige Entscheidung traf dafür sowohl die Jury des Internationalen Wettbewerbs als auch die Schülerjury, die den "Prix de l´Institut Francais" vergab. Beide entschieden sich für des Guinesen Gahité Fofana, der in einem inhaltlich interessanten, aber formal doch wenig aufregenden Wettbewerb den mit Abstand stärksten und geschlossensten Eindruck hinterließ. Positiv fiel insgesamt aber die Fokussierung auf gesellschaftlich Relevantes auf.

Die Heimatlosigkeit der im türkisch-iranisch-irakischen Grenzgebiet lebenden Kurden konnte dem Zuschauer so Hiner Saleems "Dol" ebenso wieder einmal bewusst machen, wie Newton I. Aduaka mit "Ezra" das Schicksal afrikanischer Kindersoldaten oder der Koreaner Im Sang-Soo mit "The Old Garden" das brutale Vorgehen der südkoreanischen Regierung gegen für Demokratie eintretenden Demonstranten in den 1980er Jahren. Formal zeigten diese Filme allerdings alle Schwächen. So ist "Dol" trotz Momenten von ebenso absurdem wie bitterem Humor so trocken und zäh wie der Landstrich in dem er spielt, und kaum am Erzählen einer Geschichte, sondern nur an dem politischen Anliegen interessiert, während Aduaka wiederum den historisch-sozialen Hintergrund völlig ausspart und im Stile amerikanischen Mainstream-Kinos einzig versucht mit Action sowie familiären Verflechtungen und Liebesbeziehungen den Zuschauer durch emotionale Überwältigung betroffen zu machen. Tiefere Einsichten in afrikanische Strukturen oder Land und Leute – konkret spielt der fiktive Film in Sierra Leone – gewährt "Ezra" aber nicht.

Als Kalligraph erwies sich dagegen der Koreaner Im Sang-Soo, in dessen "The Old Garden" sich ein nach 17 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassener Demokratiekämpfer an sein einstiges Engagement, vor allem aber an seine inzwischen an Krebs gestorbene Geliebte erinnert. Kunstvoll ist hier zweifellos jede Einstellung gestaltet, unterbrochen nur durch die quasidokumentarischen Szenen von Straßenschlachten oder von der Selbstverbrennung einer Demonstrantin, doch insgesamt fehlt es dem Film entschieden an Durchschlagskraft. Denn einerseits bleibt die Inszenierung, um als Melodram – was "The Old Garden" de facto ist - zu überzeugen und zu bewegen, zu distanziert und scheut abgesehen vom Ende vor großen Gefühlen zurück, andererseits arbeitet Im Sang-Soo die politische Komponente zu wenig heraus und nutzt sie nur als Folie für die private Geschichte.

Vielfältig war somit insgesamt das Programm, echte Entdeckungen konnte man aber keine machen. Sichtbar wurde auch, dass mit einem Budget von 140.000 Euro gerade ein Festival mit dem Fokus auf den Ländern des Südens kaum große Sprünge machen kann. Nicht wenig scheint diese Summe auf den ersten Blick, doch man sollte nicht übersehen, dass die Kosten für Einladungen von Filmemachern aus Afrika, Asien oder Lateinamerika ungleich höher sind als beispielsweise für Gäste bei dem auf das europäische Kino fokussierten Linzer "Crossing Europe". Zudem ist es leichter sowohl Geldgeber als auch Publikum für ein Festival mit europäischem Schwerpunkt zu finden, während das Interesse für Filme aus den Ländern des Südens im letzten Jahrzehnt insgesamt wohl eher abgenommen hat.

Wohl nicht zuletzt um hier zu sparen als auch um publikumsattraktive Akzente zu setzen scheint man deshalb in Innsbruck heuer auch von der konsequenten Fokussierung auf die Länder des Südens abgegangen zu sein. Mit "South of Pico" des Tirolers Ernst Gossner, der wenig überraschend den Publikumspreis gewann, lief nicht nur erstmals ein Film eines lokalen Filmemachers im Wettbewerb, sondern auch einer, der ins Profil des Festivals so wenig hineinpasst wie die Retrospektive zum Italowestern. – Klarere Positionierung in eine Richtung scheint hier wieder nötig um auch für die Medien - zunächst wohl die nationalen, dann aber natürlich auch für die internationalen - (wieder) interessanter zu werden.