Der Hudson Yards Komplex mit dem neuen fotogenen Wahrzeichen Vessel und dem Kulturzentrum The Shed lockte mich wieder einmal nach New York City. Dass damit auch die High Line abgewandert wird, bedingt die Lage. Wie staunte ich, dass der inzwischen zweieinhalb Kilometer lange Park seit 2009 wirklich zum reichbewachsenen wunderschönen Biotop geworden ist. Bis hin zum dichten Wald, wo für mich am Ende des Spaziergangs der Besuch des Withney Museum of American Art von Renzo Piano immer ein weiteres Highlight darstellt.
Hudson Yards ist Teil eines großen Städtebauprojekts in New York, das Wolkenkratzer-Viertel auf dem zirka dreizehn Hektar großen Areal wird bis 2027 fertiggestellt sein. Als Besucherattraktion steht Vessel mitten am "Public Square and Gardens at Hudson Yards", eingekeilt zwischen den Hochhäusern und dem aalglatten, doch eleganten riesigen Einkaufszentrum: Aussichtsplattform – der Blick jedoch nur auf den Hudson River beschränkt – Kunstwerk – M.C. Escher lässt grüßen – Monument – höchst Selfie-geeignet und deshalb "place-to-be". So weit, so … gut?
Der britische Designer und Architekt Thomas Heatherwick hat eine ausladende Treppenskulptur geplant: 15 Etagen; mit 154 Treppen, 80 Podesten und insgesamt 2.500 Stufen geht es auf nur 45,7 Meter Höhe; an der Basis ist der Durchmesser zirka 15 Meter, oben 46 Meter. Die einzelnen kupferverkleideten Elemente wurden in Italien gefertigt und per Schiff nach New York transportiert. Die Kosten liegen bei 200 Millionen US-Dollar.
Irritierende Geschichte. Am 15. März 2019 wurde Vessel eröffnet und musste im Jänner 2021 nach drei Selbstmorden geschlossen werden; krampfhaft nach Lösung suchend, wurden dann 10-Dollar-Tickets pro Person verkauft, allerdings durfte man ab Mai 2021 nur mindestens zu zweit hinauf. Zwei Monate später sprang ein Teenager im Beisein seiner Familie in den Tod! Seither ist Vessel geschlossen. Bei meinem Lokalaugenschein herrschte zwar trotzdem reges Treiben, allzu dekorativ macht sich das fragwürdige Bauwerk als Hintergrund für die Erinnerungsfotos. Allerdings konnte ich beobachten, dass die gesamte Skulptur gerade mit Fangnetzen abgesichert wurde.
Geschlossen war auch The Shed (Diller Scofidio + Renfro Architekten, New York, London), was bei der riesigen Struktur mit zwei Galerieebenen nicht zu erwarten war. Ich fand auch keine Ankündigungen für das Griffin Theater, The Tisch Skylights oder sonstige Aktivitäten. The Shed ist bombastisch gedacht: The McCourt heißt der ikonische Space für Megaspektakel, der entsteht, wenn die Außenhülle teleskopartig über Schienen und Rollen auf den Platz ausgefahren wird. Flexible Überlappungsräume in den Galerien ermöglichen dazu noch Tribünen für weitere 3.000 Leute. Bei Outdoor-Events funktioniert die Ostfassade mit dem großen Portal als Projektionsfläche. Eine transformierbare Infrastruktur, die in Maßstab, Technik und Medien auf noch ungeahnte zukünftige künstlerische Vorhaben antworten kann … so zukünftig, dass es im Heute überfordert?
So spannend wie der Auftakt mit dem Javits Centar – mit 310.000 m2 eines der meistbesuchten Kongresszentren der USA, sie waren gerade am Aufbauen einer Food-Messe! – ist der Abgang. An der High Line fädeln sich Wohn- und Geschäftsbauten der weltbekannten Architekt:innen auf: Zaha Hadid, Jean Nouvel, Frank Gehry, Shigeru Ban … ein Walk-about wie Blättern im Architekturbilderbuch!