The Horror – revisited again and again

25. September 2008
Bildteil

Habe wieder mal Joseph Conrads "Herz der Finsternis" gelesen. Diesmal die Übersetzung von Urs Widmer. Eine sehr gelungene Transskription, würd ich sagen – ausser dass ab und an den Nominativ mit der Akkusativ velwechsert werden.

Aber hoppla – eigentlich wollte ich nicht motzen, echt. Bin hier auf Borneo. Ist nicht Kongo. Aber auch Conrad-Land. Bin aber nicht nur auf Borneo. Bin auch auf Erden. Und hienieden dann halt immer wieder – das Grauen. Conrad betrachtete seinen Text ja eigentlich als misslungen – oder zumindest nicht wirklich als geglückt. Versteh ich. Eben gerade weils nicht stimmt. Musste er wohl so sehen. War ja Moralist, der ukrainische Pole mit seinem wunderlichen Hang zum Britischen...

Hab dann aus aktuellem Anlass auch Oliver Stones "Wall Street" wieder mal geschaut. Klar: Michael Douglas als Gordon Gekko ist, wie es Geraint Anderson – in "Cityboy: Beer and Loathing in the Square Mile" - wohl treffend ausdrückt, gemessen an den heutigen Dimensionen ein Waisenknabe. Dennoch – The Horror wird in seiner Verkleidung als The Greed von Stone durchaus aktualitätstauglich in Szene gesetzt. Falls das überhaupt eine Verkleidung ist. Conrad scheint es zwar nicht gewusst, aber deutlich geahnt zu haben: The Horror tritt nicht maskiert auf, er wird es bloss von uns – nein, nicht Gutmenschen, aber Gutgläubigen. Nachherjammerern. Wiederhoffern. Umsverrecken-Immerwiederern. Undsofortern. Undsoern. Und Irgendwieern. Und selbstverständlich auch Sieern. Ist es denn zu fassen? Kaum!

Hat es Francis Ford Coppola zu fassen gekriegt? Fast fast, würd ich meinen. Marlon Brando? Ja unwohl! Dennis Hopper? Unbedingt!! DER hat seinen Conrad gelesen - und wie! Dieser Zelluloid gewordene Flickenteppich. Einfach köstlich. Einfach grässlich. Aber ich schweife ab. Ich verharmlose. Hab nämlich auch Nietzsche gelesen, kürzlich – diese schreckliche Zwangsgeburt der Tragödie aus dem Geisterreich der Musik. Nachdem mir die ewige Dialektik wieder mal wirklich zu buntscheckig, das heisst eintönig, geworden war. Was man nicht alles so tut auf Borneo, nicht wahr? Warum nicht einfach tauchen gehen oder zumindest schnorcheln? Warum nicht wenigstens bloss oder halbbloss am Pool lungern? Und nichts---

Ist eine Supersache. Kann ich aber nicht nur nicht immer. Kann ich eigentlich selten gewirklicht. Warum? Bin ausgewandert. Bin nicht von hier. Bin Europäer. Gar gekochter Schweizer gar. Hier. Ist gut so. Ohne wenn und aber. Bin hier. Denke weiter. Rede, aber lese auch. Luge, aber schaue auch. In die Ferne. Ohne Heimweh. Ohne Häme. Kann nicht anders. Eine super Sache.

Schweifen wir wieder zu! Schliessen wir punktum diesen Kreis kurz, diesen Kurtz-Kreis. Die Schlange beisst sich in den Schwanz. Bräuchte eigentlich nicht mal eine Riesenschlange zu sein. Ist aber eben doch eine Megasuperriesenschlange! Offenbar, so siehts zumindest von hier, von Borneo her gesehen, aus, wird sich der Herr US-Finanzminister Paulson ein Denkmal gesetzt haben wollen. Der Retter. Der Untergangsmacher. Der Untergeher. Auch ein Kurtz. Auch ein ganz Langer, ganz ganz Kahler.

MACHEN WIRS KURTZ: WIR werden wohl weiterglauben. Wir Wissenden und deshalb Naiven. Wir Unzuversichtlichen und deshalb Hoffenden & Bangenden. Das Grauen, DAS Grauen---The H.....


Der Schweizer Journalist Beat Hochuli ist gemeinsam mit seiner Frau Liliane ins malaysische Kota Kinabalu ausgewandert und schickt von dort aus in unregelmässigen Abständen seine, also "überm Tellerrand" aus, getätigten Blicke auf westliche kulturelle und gesellschaftliche Prozesse.