Hola!

4. August 2010 Rosemarie Schmitt
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Ein unbekannter Autor gab mir kürzlich folgenden Rat: "Erst such dir einen Gefährten, dann erst begib dich auf die Reise." Diese Empfehlung kam mir gerade recht. Es ist Sommer und Urlaubszeit, und viele Menschen raffen ihren angesparten Besitz zusammen, um sich den Besitz anderer vieler Menschen anzuschauen (die wahrscheinlich aber nicht zu Hause sind, da sie sich just den Besitz derer ansehen, die gerade vor ihrer Türe stehen).

Die Menschen begeben sich auf Reisen in andere Länder, möglichst fremd und fern. Vielleicht möchten sie gerne überrascht werden, sehnen sich nach Unvorhersehbarem oder möchten wenigstens einmal im Jahr mit ihrer Familie unter erschwerten Bedingungen leben?

Ich möchte all dies nicht, was nicht gleichsam bedeutet, daß ich mich nicht auf eine Reise begeben werde! Und um den Rat des freundlichen unbekannten Autoren zu beherzigen, suche ich sogleich nach einem Gefährten. Und wo anders sucht ClassiCuß nach einem Weggefährten als im Land der Musik? In einem meiner liebsten "Reisebüros", der Firma "Naxos", werde ich fündig. Meine Wahl ist rasch getroffen, und es geht nicht wie der Name des Reisebüros vermuten ließe nach Griechenland, sondern nach Spanien. Ich entscheide mich für die Aufnahme des Labels "Dorian" mit dem wunderbaren Titel "Salir el Amor del Mundo", und Sebastián Durón nimmt mich mit auf einen Streifzug in seine Heimat Spanien. Hola! Ich lade Sie ein, werte Leser, uns zu begleiten.

Ah, Zarzuela! Denken Sie nicht auch gleich an die Zarzuela? Kommt Ihnen die katalanische Speisenkarte in den Sinn? Denken Sie an eine erlesene Auswahl köstlicher Fischsorten und Meeresfrüchte, an Zwiebel, Tomaten, Paprika, Knoblauch und herrlich frischen Wein? Oh, diesen Gedanken folge ich auch, und der Geschmack einer solchen Zarzuela schmiegt sich mir schon an dem Gaumen. "Haben sie überhaupt eine leise Ahnung, wie dieses Gericht zu seinem Namen gelangte?", scheint mein Begleiter Sebastián mich zu fragen. Und was hat das mit Musik zu tun? Und je länger ich Sebastián Durón zuhöre, desto weniger steht mir der Sinn nach Eßbarem.

Es war in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als Calderón de la Barca Texte zu kleinen Komödien verfasste und diese mit viel Musik, spanischer Musik, untermalte. Diese kleinen, unterhaltsamen Bühnenstücke, die der italienischen "opera buffa" in nichts nachstanden, wurden im Palast der Könige aufgeführt. Der Königspalast war umgeben von üppigsten Sträuchern der Brombeere, der "Zarzuela"! So wurde der Palast "Palacio de la Zarzuela", und die volkstümlichen Feste, die sich sehr schnell dort etablierten, die "Fiestas de la Zarzuelas" genannt. So kam es, daß diese volkstümlichen, ur-spanischen Lieder als Zarzuelas bezeichnet wurden.

Aber der Gedanke an die katalanischen Speisenkarte findet auch hier seine Begründung, denn dieses Gericht erhielt seinen Namen in Anlehnung an diese “Fiestas de la Zarzuelas“ um zu verdeutlichen, daß es sich bei dieser Delikatesse um etwas ganz Besonderes handelt, geeignet zu feierlichen Anlässen.

Es ist sehr schade, daß von der Musik aus jener Zeit kaum etwas überliefert wurde und, obwohl sich damals mehr als hundert spanische Komponisten der "Zarzuela" widmeten, so gut wie nichts bekannt ist. Und wieder einmal freue ich mich über das Angebot von "Naxos". Es ist so typisch für dieses Unternehmen, sich unbekannten und zu Unrecht vergessenen Kompositionen zuzuwenden.

Und einer dieser Wenigen ist Sebastián Durón! Im Jahre 1660, als er geboren wurde, fand das erste Wasserklosett seinen Weg von Frankreich nach England. In Nürnberg gründete Friedrich Staedler seine Bleistiftmanufaktur (ein Staedler-Stift findet sich sogar noch immer auf meinem Schreibtisch), mit Hilfe eines Barometers sagte Guercke Sturm voraus, und in Österreich wurde der Komponist Johann Fux geboren.

Bevor Sebastián Durón jedoch nach England ging (vermutlich jedoch fuhr er und reiste mit Kutsche und Schiff), tanzte der junge Spanier leidenschaftlich und freute sich zu den Zarzuelas "Luceros y flores", "Ay que sí" oder "Xacara de Clarín" von Juan Hidalgo. Denn Hidalgo war bereits 46 Jahre vor Durón geboren, und seine Kompositionen waren die reinsten Gassenhauer. Die politische Lage Spaniens zwang im Jahre 1706 (es war das Jahr als Benjamin Franklin geboren wurde und Johann Pachelbel starb) den damals 46jährigen Komponisten Sebastián Durón ins Exil nach England, wo er 10 Jahre später starb. Durón kehrte zwar nie wieder in seine Heimat Spanien zurück, doch seine Musik wird immer ein Teil dieses Landes und seiner Menschen bleiben.

Hören Sie seine 17 Lieder, seine "Salir el Amor del Mundo" und erleben Sie mit ihm sein Spanien. Und sollten Sie noch irgendwo einen Rest Musik aus einem Spanienurlaub im Ohr haben, vergessen Sie es! (Deutschland ist auch nicht nur Sauerkraut und Heino) Das hier ist spanische Musik, sagt auch Sebastián Durón, echte, ursprüngliche Musik vom und für das spanische Volk. Und lassen Sie sich nicht von den ersten achtundachtzig Sekunden in die Irre führen, denn die Komposition "Seguidillas" von José Nebra schmeichelt und kommt der Musik, die Sie von Spanien vielleicht erwarten, am nächsten.

Hola! Wetter ausgezeichnet! Essen außerordentlich schmackhaft! Musik überwältigend! Reiseleitung brilliant!
Herzliche Grüße aus einem wundervollen Spanien!

Ihre
Rosemarie Schmitt