Hören Sie doch, was Sie wollen!

30. Juni 2010 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Zum wievielten Male haben Sie in den vergangenen Wochen schon gehört, daß Robert Schumann wahnsinnig wurde? Daß er Clara Wieck gegen den Willen ihres Vaters den alten Friedrich Wieck heiratete, Schumanns Mittelfinger nicht brauchbar für eine Virtuosenkarriere war und Clara mit dem viel jüngeren Johannes Brahms anbandelte. Es ist in der Tat zum wahnsinnig werden!

Aber keine Sorge, all das werde ich Ihnen nicht noch einmal erzählen. Sollten Sie jedoch darauf bestehen, so lassen Sie es mich wissen. Doch heute nichts dergleichen, denn es gibt Neues von Schumann! Neues von Sony-Music!

Sony präsentiert uns im Schumann-Jahr ein wirklich "unerhörtes" Geburtstagsgeschenk, die kompletten Werke für Klavier und Orchester. Und dabei 5 (!) Weltersteinspielungen! So zum Beispiel zählt das Thema zu den "Abegg-Variationen", hier in einer Bearbeitung für Klavier und Orchester, zu diesen weltweit erstmals eingespielten Werken Robert Schumanns. Dazu biete ich Ihnen zwei Variationen zu der Entstehungsgeschichte dieser Abegg-Variationen an.

1. Variation:
Der junge Robert lernte bei einem Ball in Mannheim die (ihn) reizende Meta Abegg kennen. Das Herz floß über, und die Musik sprudelte. Schumann komponierte die Abegg-Variationen, und das Fräulein Abegg wurde Schumanns Opus 1! Auch wenn auf dem Titelblatt der Erstausgabe des Verlages Kistner aus Leipzig "Pauline Comtesse d’Abegg" zu lesen stand, so war das Fräulein niemals eine Comtesse. Bedauerlicherweise starb besagtes Fräulein Opus 1 (sie wurde wie Schumann im Jahre 1810 geboren) bereits im zarten Alter von 25 Jahren. Die heimliche Liebe zu Ihr begrub Schumann indess nie.

2. Variation:
Schumann war mit zwei seiner Studienfreunde auf Heidelberger-Kneipen-Tour. Und diese Freunde waren August und Otto Abegg! Schumann, angeheitert und in bester Komponierlaune, befand daß Abegg sich gut anhöre und klimperte auf einem Klavier die Tonfolge A-B-E-G-G im Walzertakt.

Hören und entscheiden Sie selbst und glauben Sie doch dann, was immer Sie glauben wollen. Ich stimme Ihnen zu, die 3 Minuten und 27 Sekunden dieser Einspielung sind wahrhaftig sehr kurz. Aber Sie haben doch sicherlich die Schumann-Meisterwerke, die ich Ihnen in der vergangenen Woche empfahl! Schön, dann können Sie sogleich die Interpretation der Abegg-Variationen für Klavier solo des jungen Evgeny Kissin zum Vergleich hören. Sehen Sie, wie gut, daß Sie meiner Empfehlung folgten!

Die Mehrzahl der Hörer möchte übrigens der Variation 1 Glauben schenken. Ist ja auch romantischer! Die Wahrheit ist auf alle Fälle, daß die Abegg-Variationen für Klavier das erste Schumann-Werk war, welches von einem Musikverlag gedruckt wurde! So oder so, A-B-E-G-G ist wahrlich eine gelungene Tonfolge. Wie bedauerlich, daß sich aus S-C-H-M-I-T-T so gar nichts machen lässt!

Haben Sie auch schon einmal mit einem Ohrwurm Bekanntschaft gemacht? Mir geschieht das immer wieder, wenn auch mit den Jahren immer seltener. Aber wie es nun mal so ist, was dem einen sein Ohrwurm, ist dem anderen sein Tinitus! Doch bei diesem, einer weiteren erstmals eingespielten Schumann-Komposition, bin ich mir sehr sicher, daß es Ihnen ebenso ergeht wie mir! Ich legte die erste der insgesamt drei CD’s dieser Box in den CD-Spieler, und nach den ersten Sekunden bereits war es geschehen: ein neuer Ohrwurm ward geboren! Was für eine Phantasie! Nein, nicht meine, sondern die von Robert Schumann in a-moll!

Und dabei wollte dieses einsätzige Werk zunächst kein Verleger haben! Auch nicht, nachdem Schumann es 1843 zum wiederholten Male überarbeitet hatte. Also fügte er 1845 zu dem Allegro noch ein Intermezzo und ein Rondo hinzu, und fertig war ein Klavierkonzert, welches mit Begeisterung aufgenommen wurde. "Na, warum denn nicht gleich so, Herr Schumann?", mögen die Verleger gefragt haben. "Geht doch!" Bei der Uraufführung in Leipzig übernahm Frau Clara Schumann höchstpersönlich den Klavierpart und war begeistert: "(...) wie reich an Erfindung, wie interessant von Anfang bis zum Ende ist es, wie frisch und welch ein schönes zusammenhängendes Ganzes!"

Aber wenn Sie mich fragen, diese ursprüngliche Phantasie, die Sie auf dieser Einspielung hören dürfen, hat sehr wohl die Größe, alleine zu stehen. Da braucht es weder ein Intermezzo noch ein Rondo. Basta! Falls es Ihnen mit diesem Ohrwurm ebenso geschieht wie mir, liebe Leser, lassen Sie es mich wissen! Mir alleine fehlt nicht der Glaube, sondern die Phantasie, daß es einen Menschen auf Erden gibt, den dieses Werk unberührt lässt.

Und die weiteren Titel dieser CD-Box? Hören und entscheiden Sie doch selbst! Für mich ist diese Schumann-Box von SONY-Musik das schönste Geburtstagsgeschenk von allen, und es wurde von Vielen so einiges zu Ehren von Schumanns 200. Geburtstag gebracht!

200 ClassiCüsse für Lev Vinocour, Johannes Wildner und das Wiener Radio Sinfonieorchester (müssen Sie selbst wissen, wie Sie sie aufteilen möchten, die ClassiCüsse.)

Sehr geehrte Clara Schumann, ich bin so frei, mir einige Ihrer Worte zu borgen, um diese Einspielung zu beschreiben, denn treffendere bin ich nicht in der Lage zu finden: "(...) wie reich an Erfindung, wie interessant von Anfang bis zum Ende ist es, wie frisch und welch ein schönes zusammenhängendes Ganzes!"

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt