Himmelhoch jubilierend: der Wolkenturm von Grafenegg

Wenn schon Grafenegg, dann zum Highlight der Orchesterkonzerte im Wolkenturm: Beethovens Fidelio, konzertant, die vielgerühmte Freiluftbühne vor der untergehenden Sonne. Mit dem Shuttlebus von Wien angekommen, suche ich – gänzlich unvorbereitet – Orientierung, werde aufgefangen vom gläsernen Bauwerk mit dem Foyer des neuen Auditoriums – gleichzeitig Shop- und Ticketbereich – zwischen Reitschule und Schlosstaverne. Imposant gereicht der dreißig Hektar große Park mit jahrhundertealten Baumriesen dem im Stil des romantischen Historismus errichteten Schloss Grafenegg seine Ehrerbietung. Ebenfalls entfernt schon zu erblicken, die glitzernde Spitze des Wolkenturms.

"The next ENTERprise Architects", in persona Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs und Ernst J. Fuchs, formen das spektakuläre Klangwunderwerk aus der Landschaft heraus, spielen mit Perspektive und Blickbeziehungen, mit Enge und Weite, mit Raumabschluss und Raumöffnung. Und tatsächlich verwandelt sich die Skulptur aus Beton, Stahl und Glas mit jedem Schritt der Annäherung, die Wiesenlandschaft rundherum wirft sanfte Falten und verschmilzt mit dem Bauwerk. Klug wird die natürliche Senke genutzt um einerseits den Freilufttheater-Zugang in den künstlichen Hügel einzuschneiden und die Servicebereiche unter der Tribüne verschwinden zu lassen, andererseits um hinter der Klangmuschel Technikräume, Akustikschleusen, Klavierdepot und die Zone für die Künstler:innen zu integrieren.

Ausgehend von der akustischen Grundregel "Wie man sieht, so hört man" untersuchten tnE Arcitects die Affinitäten zwischen perspektivischem und akustischem Raum. "Akustik spielt bei uns immer eine besondere Rolle: das Hören ist etwas ganz Wichtiges! Egal, ob Wohn-, Bürogebäude oder Veranstaltungssäle, die Akustik macht einen großen Teil der Atmosphäre aus, ...", erzählten mir die beiden im Interview.* Abgesehen davon, dass der Wolkenturm eine der akustisch besten Open-Air-Bühnen der Welt ist, wurde in Grafenegg einmal mehr bewiesen, was Architektur an Mehrwert bezüglich internationaler Bekanntheit beizutragen vermag.

In der Pause schau ich mich neugierig am seitlichen Hügel mit den Rasenplätzen um. Gemütlich haben sie es da: Picknickdecke, ein Gläschen Wein ... und das mit einem Ticket um zehn Euro. Allseitiger Kunstgenuss (1.700 Tribünen- und 300 Rasenplätze) findet hier statt, das finde ich gut!

  • 33 Interviews zur Architektur, Martina Pfeifer Steiner
    Hrsg. Nextroom, Müry Salzmann 2019