Himmelfahrtskommando

23. Mai 2012 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Ich liebe Barockmusik! Und genau das ist ein Problem bei dem Galileo-Projekt des Tafelmusik Baroque Orchestras. Dabei fing alles so gut an... Am 29. August 1609 schrieb Galileo, der in Venedig weilte, einen Brief an seinen Schwager. Er berichtete diesem, er werde wohl sobald noch nicht nach Hause zurückkehren, denn man habe in Flandern ein Fernrohr entwickelt, das weit entfernte Dinge sehr nahe erscheinen ließe.

Genau 400 Jahre später entschieden die Vereinten Nationen das Jahr 2009 zum "Jahr der Astronomie" zu erklären. Das Tafelmusik Baroque Orchestra erklärte auch, und zwar sich bereit, zu diesem Anlaß ein ganz besonderes Projekt zu präsentieren. Nun, nachdem das 34jährige kanadische Barock-Orchester sein eigenes Label "Tafelmusik Media" gründete, möchte Jeanne Lamon und ihr Ensemble die Herzen der Klassikliebhaber erfreuen (oder Geld verdienen) und "legendäre Konzerterfahrungen mit einem breiten Publikum teilen." Das ist ja eigentlich sehr nett von Miss Lamon – eigentlich.

Im März kündigte der weltweite Vertriebspartner von Tafelmusik Media, "Naxos", die Veröffentlichung des Galileo-Projektes (CD und DVD!) an: "Wissenschaft und Kultur begegnen sich im Universum! Das kanadische Tafelmusik Baroque Orchestra interpretiert Musikstücke von Claudio Monteverdi, Antonio Vivaldi, Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel vor dem Hintergrund hochauflösender Bilder des Hubble-Weltraumteleskops, der NASA und von verschiedenen kanadischen Astronomen. Der Schauspieler Shaun Smyth erzählt die fesselnden Hintergründe und die Musiker, die allesamt auswendig spielen, bewegen sich in einer magisch anmutenden Bühnendekoration (...)"

Oh, wie sehr freute ich mich auf diese Aufnahme, besonders auf die DVD! Ich stellte mir vor, wie ansteckend, unterhaltsam, geheimnisvoll es sein würde, diese wundervolle Musik mit Aufnahmen aus dem Weltall zu erleben. Kennen Sie die Kaminfeuer- oder Aquarien- DVDs die mit Musik untermalt, eine ganz besondere Stimmung vermitteln – vermitteln sollen? So ähnlich habe ich es mir vorgestellt, nur viel anspruchsvoller.

Natürlich legte ich zunächst die DVD ein und freute mich auf außergewöhnlichen Genuß. Was ich zunächst für eine Art Vorspann hielt, erwies sich dann bedauerlicherweise als das Projekt, welches als einzigartiges Kreativprojekt angekündigt, in mir hohe Erwartungen weckte. Der Moderator Shaun Smith wirft und ruft allzu lautstark Textbeiträge (von wegen erzählen) in die Musik (englisch und leider ohne Untertitel) derweil im Hintergrund recht kleine Projektionen von "Hubbles" Planetenbildern Erwartungen wecken. Das Ensemble bewegt sich, während es musiziert, schreitend und etwas gestelzt in seinen Umlaufbahnen und ist bemüht, Spaß an der Musik zu vermitteln. Es bleibt bei den Bemühungen.

Oh je... und dabei wurde besonders die Barockmusik zur Unterhaltung komponiert, zur Freude, aus Lebenslust! Simone Kermes und all jene, die ihre Bühnenauftritte je sahen und lieben, rate ich vehement davon ab, sich diese DVD anzusehen! Das ist zwar auch Barockmusik, aber dennoch etwas ganz anderes! Und dabei ist das Konzept durchaus eine wunderbare Idee! Mit größeren Projektionen, ohne Moderation, einem entspannterem Orchester und im Besonderen ohne Potpourri-Charakter! Von über einem Dutzend Komponisten werden dem Zuhörer Bruchstücke ihrer Werke (Rameaus Jupiter-Entrée 52 Sekunden) ans Ohr gereicht. Ach, hätte man sich doch nur für weniger entscheiden können, um jenen großartigen Kompositionen und den Ansprüchen der Klassikliebhaber gerecht zu werden. Claudio Monteverdi etwa, der ein Zeitgenosse Galileos war und von diesem sehr geschätzt wurde, hätte einiges zu bieten für solch ein überirdisches Konzept!

Mir ist nicht ganz klar, welches Publikum (oder geht es nur um Käuferschichten?) Tafelmusik-Media mit diesem Projekt "Music of the Spheres" ansprechen wollte, ich war auf jeden Fall nicht dabei. Es bleibt mir natürlich die Möglichkeit die DVD zu ignorieren und statt dessen die pure Musik der CD zu genießen (vielleicht alternativ mit Kaminfeuer, welches knisternder ist als diese Interpretationen), doch ist diese Musik leider nicht pur, sondern es bleibt bei mir der Eindruck, die Kompositionen würden jeweils nur kurz angespielt.

Möchten Sie sich Ihren eigenen Eindruck machen? Beantworten Sie bis zum kommenden Mittwoch folgende Frage an klassik@habmalnefrage.de und es könnte durchaus sein, daß das "Galileo-Projekt" bald in Ihrem Briefkasten auf Sie wartet: Wann (Tag, Monat, Jahr) und wo wurde Galileo Galilei geboren?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt