Herr der Fliegen - Lord of the Flies

7. Juni 2018 Walter Gasperi
Bildteil

Peter Brooks Erstverfilmung von William Goldings Roman über eine Gruppe von Jugendlichen, die nach einem Flugzeugabsturz sich selbst organisieren muss, besticht auch 55 Jahre nach seiner Erstaufführung immer noch als Auseinandersetzung mit der Spezies Mensch, deren dünne Schicht der Zivilisiertheit in Extremsituationen leicht abblättert. Bei Concorde Home Entertainment ist der schwarzweiße Klassiker auf DVD und Blu-ray erschienen.

Eine assoziative Montage von Schulfotos auf der einen und Raketen und Bombern auf der anderen Seite vermittelt schon zum Vorspann das Spannungsfeld, in dem sich der Mensch bewegt: Einerseits wird ihm Bildung und Menschlichkeit vermittelt, andererseits hat dies nie den Ausbruch von Kriegen verhindert. Die Kriegsbilder können dabei auch als direkter Reflex auf die 1963 eben erst überwundene Kuba-Krise und die immer noch präsente Gefahr eines Atomkriegs gelesen werden.

Nur mit einer Landkarte, dem Foto eines Flugzeugs und einem Knall wird ein Absturz im Südpazifik angedeutet, die Handlung setzt mit dem etwa 12-jährigen Ralph und einem zweiten Jungen ein, der wegen seines Übergewichts, seines Asthmas und seiner Brille Schweinchen genannt wird. Am Ufer finden sie eine Muschel, mit der Signale gegeben werden können und die Ralph somit zum Anführer prädestinieren wird, als sie weitere Kinder finden und bald auch auf eine Gruppe älterer Schüler treffen, die von Jack angeführt wird und an ihrer Eliteschule offenbar militärischen Drill und strenge Machtstrukturen kennengelernt haben.

Bald schon kristallisiert sich Schweinchen als das prädestinierte Opfer heraus, das gemobbt wird. Im Bemühen Hilfe zu organisieren, hält die Gruppe zunächst zusammen. Doch bald entwickelt sich ein Machtkampf zwischen dem auf Vernunft setzenden Ralph und Jack, der, geprägt von der autoritären Erziehung, das Recht des Stärkeren vertritt.

Jack kann dabei eine vermeintliche Bestie, vor der sich die Jugendlichen fürchten, geschickt instrumentalisieren, um Angst zu schüren und seine Position zu stärken. Diese Angst wird nicht nur zu einem Mord in Panik, sondern auch zur Entmachtung Ralphs zugunsten Jacks führen.

Rationales Agieren und Gesetze, deren Bedeutung Schweinchen immer wieder betont, haben so immer weniger Stellenwert. Äußerlich manifestiert sich der Rückfall in die Barbarei im Ablegen der Schulkleidung zugunsten kurzer Hosen und nackter Oberkörper sowie der Kriegsbemalung des Gesichts. Wer dagegen die Stimme erhebt, muss befürchten mundtot gemacht zu werden. Galt zunächst der Ruf "Tötet das Schwein!" real dem Tier, bezieht sich die Aufforderung schließlich auf die Jagd der Gegner wie Ralph.

Auf große Action verzichtet Peter Brook, lässt durch die Schwarzweißfotografie, die der Insel immer einen düsteren Anstrich verleiht, auch keine Exotik aufkommen. Er richtet den Fokus ganz auf die vielschichtige und pessimistische Erkundung der Spezies Mensch, die zunächst noch zivilisiert und zurückhaltend agiert, aber zunehmend die Menschlichkeit ablegt und sich als wildes Tier präsentiert. Er lässt in seinem auch dank der starken visuellen Gestaltung und der überzeugenden Kinderdarsteller immer noch packenden Drama nicht nur rationales Denken auf Aggressionstrieb und die Idee vom Recht des Stärkeren treffen, sondern vermittelt auch anschaulich, wie Angst instrumentalisiert werden kann.

An Sprachversionen bietet die bei Concorde Home Entertainment in der Reihe Classics Selection erschienene DVD und Blu-ray die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras beschränken sich auf den Trailer sowie Trailer zu weiteren bei Concorde erschienene Titel.

Trailer zu "Herr der Fliegen"