Henri Matisse – Jazz

Mit der Präsentation "Henri Matisse – Jazz. Malerbücher aus der Sammlung Classen" setzt das Museum Moderner Kunst einen weiteren Programmhöhepunkt in der Reihe hochkarätiger Ausstellungen zur Feier seines 20jährigen Bestehens. Malerbücher bilden in Frankreich einen eigenständigen Bereich der Kunst. Engagierte Verleger brachten diese Bücher mit Originalgraphiken in kleinen Auflagen heraus. Text und meist großformatige Bilder wurden mit höchsten künstlerischen Ansprüchen gestaltet, wobei eine Illustrierung weniger angestrebt wurde, als vielmehr eine freie graphische Gestaltung.

Besonders eindrucksvoll zeigt dies die Publikation "Jazz" von Matisse aus dem Jahr 1947. Nach Radierungen zu James Joyces "Ulysses" und Holzschnitten zu Baudelaires "Les Fleurs du Mal" schuf Henri Matisse (1869-1954) mit "Jazz" einen Höhepunkt bei der Entwicklung der Malerbücher. Die starkfarbigen Schablonendrucke stehen in enger Beziehung zu den Wandbildern und Scherenschnitten des Künstlers und setzen sich, inspiriert von Zirkusdarstellungen, Reiseerinnerungen und Volksmärchen, mit Farbe und Bewegung in der Fläche auseinander. Der von Matisse selbst verfasste und kalligraphierte Text bildet den "klanghaften Hintergrund" zu den bewegten Darstellungen. Dieses temperamentvolle Buch beeinflusste nachfolgende Kunstrichtungen, wie die Pop Art, und hatte beispielsweise in Andy Warhol einen aufrichtigen Bewunderer.

Matisses Beschäftigung mit buchgraphischen Projekten begann jedoch bereits zu Beginn der 1930er Jahre, als er das Angebot erhielt, zu den "Poésies" von Stéphane Mallarmé ganzseitige Radierungen zu schaffen. Auch wenn er der Meinung war, das Werk eines guten Dichters benötige keine Aufwertung durch malerische Gestaltung, so stellte er doch fest, ein solches Werk könne die Phantasie des Künstlers so mitreißen, dass dieser Gleichwertiges zu schaffen in der Lage sei. Hier klingt bereits an, was immer der bestimmende Gedanke Matisses bei der Arbeit an seinen Malerbüchern sein sollte: Text und Bild sollten im Buch den gleichen Stellenwert haben. So ließ er sich bei jedem seiner Buchprojekte größtmögliches Mitspracherecht, auch bei der Gestaltung der Textseiten einräumen und fertigte jeweils zahlreiche Entwürfe und vorbereitende Blätter an, von denen dann nur wenige zur Publikation ausgewählt wurden.

In den 1940er Jahren, durch eine Krankheit an das Bett gefesselt, schuf Matisse in einer konzentrierten Phase, mit Techniken, die ihm die Arbeit im Sitzen erlaubten, weitere umfangreiche Malerbücher. Über die Technik des Linolschnitts, die er beispielsweise für die Illustrationen zu Henri de Montherlants "Pasiphaé, Chant de Minos" (1944) verwendete, sagte Matisse einmal, sie sei "...geradezu dafür geschaffen, den Künstler zu einem illustrierenden Maler zu machen". Bei der Veröffentlichung seines Zyklus "Visages" (1946), war es jedoch der Dichter Pierre Reverdy (1889- 1960) gewesen, der zum Illustrator wurde, indem er auf Wunsch Matisses die vierzehn Lithographien mit Gedichten "untermalte". Diese umgekehrte Art des Herangehens, Graphiken mit Text zu untermalen, sollte Matisse später auch bei "Jazz" anwenden.

Die Sammlung Classen im Graphikmuseum Pablo Picasso in Münster besitzt zehn Malerbücher von Matisse, die in Auswahl in der Ausstellung präsentiert werden. Als Einzelblätter gerahmt, gelingt so eine Ausstellung, die den Maler Matisse in seinem so einflussreichen Spätwerk überzeugend vorstellt. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: 80 Seiten, 56 farbige Abbildungen, 22,- EUR

Henri Matisse – Jazz
Malerbücher aus der Sammlung Classen
21. August bis 10. Oktober 2010