Heji Shin - "#lonelygirl" & "Babies"

Heji Shin ist eine New York lebende, deutsch-koreanische Fotografin. Sie arbeitet für kommerzielle Projekte wie Fashionshootings, als auch für die nicht weniger kommerzielle Kunstwelt. Shin wurde unter anderem für ihre Aufnahmen im Auftrag des amerikanische Modelabels Eckhaus Latta bekannt, aber auch für Make Love, ein viel diskutiertes Aufklärungsbuch für Teenager sowie für die Bildzyklen "#lonelygirl" und "Babies".

"#lonelygirl" (2016) zeigt die Äffin Jeany wie sie mit grosser Selbstverständlichkeit einen Dildo untersucht, wie sie liebevoll Geldscheine zählt oder ihren Hintern in Szene setzen lässt. Auf formaler Ebene spielen die Aufnahmen mit der Sprache der Modefotografie. Posieren, starkes Ausleuchten und andere visuelle Rhetoriken inszenieren hier Natur als Fashion. "#lonelygirl", der Titel der Serie, bezieht sich auf Selfies von jungen Frauen, welche sich in den sozialen Medien über diesen Hashtag als einsame Verlorene und gleichzeitig selbstbewusste Femmes fatales in Szene setzen. "#lonelygirl" ist somit eine Hommage an das Selfie als eine global verbreitete Form von triebhaft-tierischer Selbstanpreisung. Je nach Perspektive kann die Serie zudem als Abrechnung mit der Eitelkeit verstanden werden, als Untersuchung zu zeitgenössischen Bildsprachen, als sympatisch-verspieltes Portrait einer Affendame und als Beitrag zur Frage, wie die Welt durch die Augen einer Äffin aussehen würde.

Die Serie "Babies" (2017) zeigt Aufnahmen von Neugeborenen im Moment, in dem sie zur Welt kommen. Es sind eindrückliche Bilder, in denen sich völlige Normalität mit absoluter Aussergewöhnlichkeit paart und in denen sich das Millionenfache mit dem Einzigartigen verbindet. Denn es gibt kaum etwas Wertvollers und gleichzeitig Alltäglicheres als eine Geburt. Sie ist der Anfang vom Ende, alle haben sie erlebt und niemand erinnert sich daran. Wie dieser überaus intime Moment sich hier mit grösster Selbstverständlichkeit präsentiert, das ist das Unvergessliche und Verstörende dieser Bilder.

Heji Shins Fotografie stellt sich aus unterschiedlichen Blickrichtungen und mit grosser Unverfrorenheit der Frage der Intimität. Im Zentrum von Intimität steht immer das Vertrauen, und dieses ist heute auf allen Ebenen erschüttert (Stichwort Fake News, Datenmissbrauch, Zweifel an Experten usw.). Die Intimität jedoch funktioniert als Scharnier zwischen unserem Körper und der Öffentlichkeit, sie schützt und gibt preis. Sie ist von entscheidender Wichtigkeit und von grösster Brisanz, denn mit den sozialen Medien wird sie zur Zeit völlig neu verhandelt. Sie ist zum globalen Schlachtfeld geworden und zum Ort tiefer Verwerfungen und Verwirrungen. Einmal mehr stehen wir somit vor der Aufgabe des "difficult business of intimacy" (Virginia Woolf), also die komplexe Frage der Intimität grundsätzlich neu anzugehen. Dorthin zielt Shins Bildproduktion, denn das ist die Bedeutung ihrer Fotografie: Sie fordert ein, dass wir uns dieser Aufgabe stellen. Gleichzeitig tut sie dies in einer Art und Weise, als wäre alles halb so wild, als wäre es ihr egal. Genau aber darin liegt die Qualität und die Provokation dieser Arbeit: wie unaufgeregt sie das Aufregende zeigt.


Heji Shin
8. Dezember 2018 bis 3. Februar 2019
Eröffnung: Fr 7. Dezember 18, 18 Uhr