Heilige in Europa - Kult und Politik

Das Österreichische Museum für Volkskunde präsentiert mit der Ausstellung "Heilige in Europa - Kult und Politik" anhand selten gezeigter Dokumente und Kunstobjekte eine facettenreiche Schau zu den Heiligen und Seligen des Kontinents. Zwischen Funktion und Funktionalisierung werden die "Karrieren" der Heiligen im Spannungsfeld von christlichem Glauben und politischer Herrschaft thematisiert. Gezeigt wird außerdem die kontrastreiche Vielfalt der verschiedenen Darstellungs- und Propagierungsformen – von der gotischen Plastik über Andachtsbildchen bis zum industriell gefertigten Kunststoffanhänger.

Die Ausstellung illustriert die wechselvolle Bedeutung der Heiligen als Katalysatoren nationaler Identität, aber auch ihre Instrumentalisierung durch politische und kulturelle Eliten bis hin zu aktuell forcierten "neuen" Heiligen. Damit leistet dieses kulturwissenschaftliche Panoptikum einen spannenden Beitrag zur Diskussion des historischen und gegenwärtigen Selbstverständnisses Europas.

Seit der Frühzeit des Christentums stehen Heilige im Zentrum katholisch-religiösen Lebens und Erlebens. Als Fürbitter und Schutzpatrone werden sie angerufen und um Beistand gebeten, als Vorbilder und Zeugen eines heiligmäßigen Lebens in der Nachfolge Christi sind sie Gegenstand bewundernder Ehrfurcht und pietätvoller Nachahmung. Heilige und ihr Kult wurden und werden auch in den Dienst verschiedener weltanschaulicher sowie politischer Vorstellungen genommen. Dabei wird nicht nur auf traditionelle religiöse Vertrauens- und Verehrungsgestalten zurückgegriffen, es werden auch neue Kultfiguren geschaffen.

So geht es in dieser Ausstellung nicht nur um den Einsatz, sondern auch um die Transformierung des katholischen Heiligenkults zu profanen Zwecken. Es werden dabei vor allem Heilige vorgestellt, deren Patronat sich über einen größeren geographischen bzw. administrativ-politischen Raum erstreckt - auf Regionen, auf Länder und auf ganz Europa. Thematisiert und illustriert werden dabei unter anderem folgende Bereiche: kulturgeschichtliche und zeitpolitische Umstände der Heiligsprechungen und, Zu- bzw. Umschreibung von Patronaten; die Instrumentalisierung volkstümlicher Frömmigkeit für die Legitimierung von politischer Herrschaft; Motive und Praktiken bei der Erhebung von Heiligen zu den Altären der Kirchen und der Politik und offizielle Formen der Propagierung weltlich funktionalisierter Heiligenverehrung sowie deren Akzeptanz im traditionell-religiösen Milieu. 

Der Hl. Benedikt von Nursia, schon lange aufgrund seiner Regeln für ein mönchisches Zusammenleben als Patron des Abendlandes verehrt, wurde 1964 von Papst Paul VI. zum Patron Europas ernannt. Papst Johannes Paul II. stellte ihm 1980 Kyrill und Method, die "Patrone der slawischen Völker" zur Seite sowie im Jahr 1999 Katharina von Siena, Brigitta von Schweden und Edith Stein. Es sind nunmehr sechs Heilige, deren Zuständigkeitsbereich vorrangig in Europa ist. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Hergang ihrer Ernennung zu offiziellen Patronen des Kontinents, liefert offiziellen Erläuterungen und fragt nach den Aufgaben, die den Heiligen Europas zukommt.

Heilige in Europa - Kult und Politik
26. Oktober 2010 bis 13. Februar 2011