Gustav Deutsch im Österreichischen Filmmuseum

Gustav Deutsch, 1952 in Wien geboren, ist eine Hauptfigur des internationalen Found-Footage-Films. In seinen aufwändigen "Remixes" von Archivfilmen prallen die Gattungen aufeinander – Fiktion und Dokument, Zaubermärchen, Amateurkino und wissenschaftliche Filme. Obwohl seine Arbeit von beträchtlichem Humor zeugt, geht es ihm bei der Auswahl und Montage des gefundenen Materials aber nicht um ironische Effekte, sondern um ein "sinnliches Verstehen" des Mediums – z. B. was das Verhältnis von Film, Geschichte und Gesellschaft betrifft. Filmemachen ist von Anfang an: Weltanschauung.

Der Titel eines Hauptwerks von Gustav Deutsch, "Welt Spiegel Kino", fasst diese Perspektive zusammen. Aus dem komplexen, vielfach gebrochenen "Spiegel", der immer schon zwischen "Welt" und "Kino" steht, wird bei Gustav Deutsch freilich ein wahres Spiegelkabinett. An diesen Ort führt die umfassende Retrospektive, die das Filmmuseum nun seinem Schaffen widmet. Eröffnet wird sie mit der Premiere seines neuen Werks: "Film ist. a girl & a gun". Der Film blendet Kriegsbilder, Geschlechterkampfkino und Pornografie ineinander; Teile dieses Materials werden anschließend, im Rahmen eines Live-Konzerts mit Christian Fennesz, Martin Siewert und Burkhard Stangl, in ihrer "Rohform" vorgeführt.

Gustav Deutsch beginnt Ende der siebziger Jahre, im Umfeld der Wiener Medienwerkstatt, mit der Arbeit an bewegten Bildern; im Lauf der achtziger Jahre geht er vom dokumentarischen Video zu einem konzeptuelleren Filmschaffen über; mit der seriellen Urlaubsfilmmontage "Adria" findet er um 1990 zu seinem Zentralthema und seinem Stil. Mit wenigen Ausnahmen (wie dem grandiosen Dokumentarfilm-Experiment "Augenzeugen der Fremde", 1993) fahndet er seither mit seiner Lebens- und Kunstpartnerin Hanna Schimek weltweit nach verschüttetem Archivmaterial für seine Film-Collagen. Was 1995/96 mit einigen Kürzestwerken beginnt (Film spricht viele Sprachen, Film ist mehr als Film), wächst sich bald zu einem gewaltigen work in progress aus: Spielerisch, aber thematisch streng geordnet, untersucht Deutsch in der Serie Film ist. die unendlichen Auffaltungen, Reichtümer und Funktionsweisen des Mediums.

Der Found-Footage-Jongleur ist indes nur eine seiner vielen Identitäten: Gustav Deutsch ist Architekt und bildender Künstler (derzeit etwa im Rahmen der Ausstellung Western Motel in der Kunsthalle Wien), seine Palette umfasst Fotoarbeiten und Installationen, Vortragsserien und Performances, multimediale Migrationsstudien und interkulturelle Kunstvermittlungsprojekte. Auch diese Facetten werden im Programm der Retrospektive zum Tragen kommen – z. B. durch eine Lecture und eine rare Aufführung seiner "interaktiven Performance" "Taschenkino" (1995). Aber der Film ist der Knotenpunkt seines Schaffens. Die entscheidenden Fragen lauten: Was hat uns das Kino mitzuteilen, wenn man es aus seinen alten Funktionszusammenhängen reißt? Welche geheimen Botschaften sind in den Filmfragmenten gespeichert, wenn man diese nicht als Fiktionen sieht, sondern vor allem als Zeit-, Gebrauchs- und Ideologiespuren? Indem er so unaufhörlich an der Bewahrung und Rekontextualisierung des filmischen Erbes arbeitet, lotet Gustav Deutsch nichts weniger aus als die Zukunft des Kinos.


Zum Auftakt der Retrospektive wird der neue Band der FilmmuseumSynemaPublikationen vorgestellt: "Gustav Deutsch", herausgegeben von Wilbirg Brainin-Donnenberg und Michael Loebenstein, ist das erste umfassende – und reich illustrierte – Buch über den Künstler. Es enthält u. a. Texte von Nico de Klerk, Stefan Grissemann, Tom Gunning, Alexander Horwath, Wolfgang Kos und Scott MacDonald sowie visuelle Beiträge von Gustav Deutsch und Hanna Schimek.

Gustav Deutsch- Retrospektive
19. bis 26. Februar 2009