Die Ausstellung im Museum Gugging widmet sich mit der Abstraktion zum ersten Mal einem zentralen Thema der Gugginger Kunst. Erstmals steht mit Laila Bachtiar eine aktive Gugginger Künstlerin im Zentrum einer Schau. Ausgewählte Positionen der Künstlerin werden dabei Werken von Rudolf Horacek, Rudolf Liemberger, Philipp Schöpke und Erich Zittra in vier thematischen Kapiteln gegenübergestellt.
Damit entsteht eine Brücke von der Gegenwart in die erste Generation Gugginger Künstler*innen der 1960er- und 1970er-Jahre. Eine Blackbox mit drei Videos und Projektionen von täglichen Scans macht die 30 Tage der Entstehung eines Werks „Hund“ (2023) von Laila Bachtiar sichtbar. Die Zeichnung als unmittelbarste künstlerische Ausdrucksform steht im Fokus der Schau, was die Kapiteltexte auf geklammerten Papierbögen zum Ausdruck bringen.
"Viele der Gugginger Künstlerinnen und Künstler wählen am Beginn ihrer künstlerischen Arbeit eine figurative Darstellung", erklärt Nina Ansperger, wissenschaftliche und künstlerische Leiterin des Museum Gugging. "Doch welche Wege gehen sie danach? Laila Bachtiar findet von liniendominierten Bildern zu kraftvollen Flächen, die ihre dargestellten Tiere und Menschen größtenteils noch erkennen lassen. Rudolf Horacek fokussiert seine Darstellungen auf den Kopf. Rudolf Liembergers menschliche Figuren scheinen im Laufe der Zeit immer mehr zu verschwinden. Philipp Schöpke überzieht seine Figuren in seiner Spätphase mit atmosphärischen Farbschichtungen. In Erich Zittras Werken werden seine figuralen Motive mit kräftigen vertikalen Strichen bis zur Abstraktion überarbeitet", fasst die Kuratorin der Ausstellung zusammen.
Das erste Kapitel der Ausstellung umfasst Motiv und Linie. Die Zeichnung ist bis heute das am häufigsten verwendete Medium in Gugging. Die 1971 geborene Laila Bachtiar arbeitet seit 1990 in Gugging an ihren oft sehr zeitintensiven Werken. Sie beweist, welche Kraft und welchen Facettenreichtum eine mit Bleistift gezogene Linie aufweisen kann. Dabei ist die Linie immer das Gerüst ihrer Motive, anfänglich, um Flächen mit unterschiedlich durchscheinenden Farben zu füllen und schließlich mit flächigen, kräftigen Schraffuren. Ihr Hauptthema sind Tiere, wobei sie neben Schildkröten, Katzen oder Pferden auch exotische Tiere wie Elefanten darstellt. Im ersten Teil der Schau ist ihr Werk "Hund" zu sehen, von dem man zuvor die Entstehung mitverfolgen konnte. Ihr gegenüber steht in diesem Gang Erich Zittra, der Häuser, Kirchen und Tiere zeichnete, wobei bei beiden der Hase wie bei vielen Gugginger Künstler:innen besonders beliebt sind. Mit dichten, oft vielfarbigen Strichen überzeichnet Zittra seine Motive, die er zuvor mit Bleistift auf das Blatt setzt.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Figur. Für viele Gugginger Künstler:innen ist die Darstellung eines Menschen der Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Tätigkeiten. Philipp Schöpke entwickelte diese Darstellungen zu den oben skizzierten flächigen, bunten Darstellungen bis an die Grenze der Abstraktion weiter. Von Rudolf Horacek ist vor allem sein acrylfarbenes Selbstportrait aus Kopf und Rumpf mit dem Titel "Horacek Rudolf in Mannswörth" bekannt, das in Gugging ikonografischen Status genießt. Es ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Sein Werk widmete sich der Darstellung des Kopfes. 26 Stück seiner Kopfzeichnungen aus Farb- und Bleistiften bedecken eine ganze Wand des ersten großen Raumes. Ein näherer Blick darauf eröffnet, wie detailreich, fast schon technischen Skizzen gleichend diese Werke sind. Sie sind oftmals mit Namen, Zahlen, Buchstabenfolgen und seinem Geburtsort Mannswörth signiert. Die Figuren Laila Bachtiars in diesem Raum sind Bekannte aus dem Haus der Künstler, aus dem Atelier Gugging und ihre Familie. Auch zwei Selbstportraits sind dabei.
Das dritte Kapitel zeigt die Verdichtung. Mit ihren kraftvollen Schraffuren steht Laila Bachtiar zentral für das Thema Verdichtung, das sich bei ihr speziell ab dem Jahr 2003 intensiv entwickelte. Es gibt auch farbenprächtige Bilder, aber selbst ihre Bleistiftzeichnungen eröffnen unglaubliche Farbnuancen zwischen Schwarz und Hellgrau, die ein dynamisches Spannungsfeld entwickeln. In nur wenigen Minuten hat sie ihr Gerüst aus Bleistift gefertigt. Über Wochen beschäftigt sie sich dann mit den Schraffuren darüber. In diesem Raum ist das Titelsujet der Ausstellung "Delfin" neben einem Zebra zusehen. Ihr gegenüber gestellt ist Rudolf Liemberger. Seine menschlichen Figuren wurden im Laufe der Zeit immer geometrischer. Das anfängliche Durchstreichen wurde immer stärker zu einem schraffierenden Überzeichnen, das sich aber meist auf die Bildmitte konzentrierte. Um die Besucher:innen einzuladen, näher zu kommen, sich zu fokussieren, sind einige seiner Werke in einer Tischvitrine platziert.
Im vierten Kapitel schließlich geht es um Farbe und Abstraktion. Hier kommt das Spätwerk von Philipp Schöpke ins Spiel, denn in seinen späten Achtziger und frühen Neunziger legte dieser Künstler an farblicher Intensität zu. Schöpke behielt die ursprünglichen Bildthemen bei, wurde aber flächiger. Er nahm sich dabei Farbstifte, Wachskreiden und Kohle zur Hilfe. Beeindruckend ist in Philipp Schöpkes Figuren- und Formenwelt immer die unglaubliche Vehemenz, die bereit ist, sich ins Gegenstandslose zu steigern. Das kommt auch bei seinen seltenen großformatigen Werken zum Ausdruck. In diesem Teil der Ausstellung ist Laila Bachtiar mit einer farbenprächtigen Blume vertreten.
abstrakt.!? zwischen figuration und abstraktion
Bis 17. März 2024