Grenzgänge zwischen Kunst und Design

Einladungen mit Titeln wie "Design meets Art" überschwemmen seit einigen Jahren die Schreibtische von Kunstliebhabern, Designsammlern, Kuratoren und Kritikern. Die Protagonisten der annoncierten Ausstellungen werden als "Wanderer zwischen den Welten" beschrieben oder mit ähnlich pathetischen Bezeichnungen geadelt.

Für ein Ausstellungshaus wie das NRW-Forum Kultur und Wirtschaft, das sich in seinem Programm eben solchen "Grenzgängen" verschrieben hat, muss das Zusammengehen von Design und Kunst beinahe notwendigerweise von Interesse sein. Ist es doch Teil jener "Konvergenz", die wir immer wieder in unseren Ausstellungen beschreiben.

Wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und Design? Eine Antwort kommt von Charles Eames, dem einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts: "Design is an expression of purpose," sagte er. "It may (if it is good enough) later be judged as art." Die Antwort aktueller, junger Gestalter fällt pragmatischer aus: "Eine klare Grenze zwischen Produktdesign und Kunst gibt es doch heutzutage gar nicht mehr", erklärt etwa der spanische Designer Jaime Hayon.

Die vorerst letzte Antwort auf die Frage gibt der neue Begriff der "design-art". Künstler, die darunter subsumiert werden, untersuchen die wechselhaften Funktionen der Skulptur und unterlaufen dabei – wie Franz West und andere – die Grenzen zwischen Kunst und Design, dem "freien" und dem "angewandten" Schaffen, indem sie Mischformen aus beiden Bereichen entstehen lassen. Im Gegenzug entdecken Gestalter wie Ron Arad oder Marc Newson in immer stärkerem Maße die skulpturalen Qualitäten des Designs. Sie entfernen sich von einer Grundbedingtheit des Designs – nämlich seiner Funktionalität – und von der inhärenten Möglichkeit einer beliebig großen Reproduzierbarkeit. Stattdessen schaffen sie Einzelstücke oder kleine Editionen. Die Grenzen zwischen den "fine arts" und den "decorative arts" verschwimmen.

In der Ausstellung "U.F.O. – Grenzgänge zwischen Kunst und Design" im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft werden die Kunst- und Designobjekte wertfrei nebeneinander präsentiert. Das "Unbekannte Flugobjekt", das hinter der Abkürzung im Titel steht, bezeichnet Phänomene, die im Moment ihrer Beobachtung nicht eindeutig identifiziert werden können. Und so wie UFOs unsere Phantasie anregen, sollen die Ausstellungsobjekte den Besucher inspirieren, die Verbindungen zwischen Kunst und Design zu erkunden. So denkt er angesichts einer Glocke des Designers Marcel Wanders möglicherweise an ein Kunstobjekt von Jeff Koons, und vor den Objekten des Künstlers Richard Prince an die Möbelentwürfe des Gestalters Jean Prouvé.

Zu den Künstlern/Designern in der Ausstellung zählen David Adjaye – Ron Arad – John Armleder – Richard Artschwager – Ronan + Erwan Bouroullec – Fernando + Humberto Campana – Hussein Chalayan – Frédéric Dedelley – Martino Gamper – Liam Gillick – Rodney Graham – Johanna Grawunder –Konstantin Grcic – Zaha Hadid – Studio Job – Donald Judd – Mona Hatoum – Arik Levy – Ross Lovegrove – Marc Newson – Jorge Pardo - Tom Price – Richard Prince – Rolf Sachs – Tejo Remy – Ettore Sottsass – Haim Steinbach – Kram/Weisshaar – Marcel Wanders – Franz West – Andrea Zittel.

Viele der ausgestellten Arbeiten werden gerade erst produziert, beispielsweise die Objekte von Ron Arad, oder sind zuvor noch nicht in Deutschland gezeigt worden, wie die Möbelobjekte des bildenden Künstlers Richard Prince. Andere zählen zu den Kultobjekten des Design, wie etwa Marc Newsons legendäre "Lockheed Lounge", eine Chaiselongue aus Polyester und Aluminiumsegmenten, die 1988 in Sydney entstand. Populäre Präsenz erlangte das Möbel als sich Madonna im Musikvideo zu ihrem Song "Rain" darauf räkelte. Ein Prototyp der Liege wurde 1986 von Sotheby"s in New York für 968.000 Dollar versteigert. Gerade erst wurde eine weitere Lockheed-Lounge bei Philips de Pury in London für 1,1 Millionen Pfund versteigert. Das macht sie zum teuersten Objekt eines lebenden Designers - und Newson zu einem der bekanntesten Designer, der neben Arad zu einer neuen Generation von Gestaltern gehört, die immer häufiger auf Auktionen zeitgenössischer Kunst zu sehen, oder in Kunst-Sammlungen und Museen anzutreffen sind.

Die Trennung der Künste - "angewandt" hier und "frei" dort - war in der Renaissance noch nicht bekannt; erst im 18. Jahrhundert unterschied man trennscharf; und heute scheint wieder eine Annäherung möglich. In immer stärkerem Maße spielen heute die Künste mit der Unbestimmtheit und dem Hybriden und eröffnen damit neue Möglichkeiten der Betrachtung (und Benutzung). Das gibt die Möglichkeit eines ständigen Perspektivenwechsels, in dem die Kunst-Welt sich in die Funktional-Welt einbetten lässt und die Frage offen bleibt, ob die Design-Welt zum Teil der Kunst-Welt wird.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Abbildungen aller gezeigten Objekte (ca. 140 Seiten, Euro 25,00).

U.F.O. - Grenzgänge zwischen Kunst und Design
23. Mai bis 5. Juli 2009