Mit der Ausstellung "Global Games" reagiert das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie auf die zunehmende Relevanz und die neuesten Entwicklungen im Bereich des Computerspiels. Nachdem mit der Ausstellung ZKM_Gameplay (2013) das künstlerische Potenzial des Computerspiels eindrucksvoll bewiesen worden ist, werden Computerspiele mit "Global Games" als ausdrucksstarke Medien in den Gesamtzusammenhang des Kunstereignisses "Globale" eingeordnet.
Computerspiele sind ein Kind der digitalen Revolution und damit ein Medium, das von der Infosphäre hervorgebracht worden ist. Am scheinbaren Paradox des ernsten Spiels – des Serious Game – zeigt sich daneben auch die Verwissenschaftlichung unserer Kultur und die Hinwendung zu neuen Werkzeugen im Rahmen der Exo- Evolution, sowie einer neuen Allianz zwischen Kunst und Wissenschaft – einer Renaissance 2.0. Computerspiele stellen eine populäre Form dar, durch die sich gesellschaftlich relevante Prozesse von Globalisierung, Medienumbrüchen und Digitalisierung anschaulich präsentieren lassen. Computerspiele dienen zudem der Wissenschaft und haben didaktisches Potenzial. Sie dienen der Forschung und können dabei helfen komplexe Zusammenhänge begreifbar zu machen. Kurzum: Computerspiele sind mächtige neue Tools. "Global Games" deckt ihre Bedeutungen auf.
Computerspiele transportieren Inhalte, Bedeutungen und Ideologien und können demnach politische und soziale Medien sein, im positiven, aufklärerischen wie im verführenden, propagandistischen Sinne. Die Effekte der Globalisierung und realweltliche Bezüge schlagen sich deutlich in Computerspielen nieder. Games thematisieren z.B. den Syrien-Konflikt, den Einsatz von Drohnen in Kriegsgebieten (Unmanned), weltwirtschaftliche Zusammenhänge des globalisierten Finanzmarktes und die sozialen Folgen (Cart Life), Überwachung vor dem Hintergrund des NSA-Skandals (Vigilance 1.0, TouchTone), die Situation von Flüchtlingen an den europäischen Grenzen (Frontiers, From Darkness), soziale Missstände hervorgerufen durch den Tubokapitalismus (Outcasted), den militärisch-unterhaltungsindustriellen Komplex und vieles mehr.
Sie werfen moralische Fragen auf (Papers, Please) und geben Geschichtsstunden (The Cat and the Coup). Sie können auch als Lernmittel eingesetzt werden, wie z.B. Kerbal Space Program oder Ludwig, das im Physikunterricht in Schulen Verwendung findet. Das Spiel Die Müll AG möchte über Mülltrennung in Karlsruhe aufklären und die Bürger der Stadt für das Thema sensibilisieren. Als neue Werkzeuge stehen Games für die neuen Bastler der sogenannten Maker-Culture. Sie machen diese sichtbar, anschaulich und erfahrbar (Room Racers, Choosatron). Computerspiele werfen Utopien auf und lassen – auch im Sinne von Science-Fiction – über neue (mögliche) Werkzeuge nachdenken (Portal) und werden selbst zu neuen Tools (Minecraft). Oder man steuert echte Augentierchen über Lichtimpulse in einem Fussballspiel (Biotic Games).
In dem Spiel Phone Story für das iPhone spielt man in mehreren Levels die Produktionsprozesse eines Smartphones nach, das mit dem Logo einer Birne versehen ist. Das Spiel hat ein eigenes Bewusstsein: Während das Spiel läuft, meldet sich immer wieder das Telefon selbst zu Wort und erklärt präzise seine Entstehung in freundlichen Worten. Der Inhalt ist bissig: Man schürft unter Gewaltandrohung mit seinen Sklavenarbeitern seltene Erden in Afrika, man rettet Selbstmörder aus den chinesischen Fabriken (oder auch nicht) und man bringt das neue Produkt via geschickter Marketingstrategien an den Mann; man erschlägt seine Kunden. Brisant an Phone Story ist, dass es die Schattenseiten des iPhone ans Tageslicht bringt und gerade deshalb von Apple im App Store zensiert und verboten worden ist. In der Ausstellung "Global Games" kann man Phone Story auf einem iPhone spielen – so wie es gedacht ist.
Es zeigt sich: Computerspiele sind politische Medien, die mit ihren spezifischen Mitteln soziale und weltpolitisch relevante Themen behandeln. Dies tun sie einerseits aufgeklärt im Kontext der Games for Change-Bewegung, wobei sie eingesetzt werden, um mit ihrer Rhetorik im positiven Sinne Wandel zu erzeugen und Lerneffekte zu generieren. Aufgrund ihrer interaktiven Struktur können sie eine prozedurale Rhetorik entfalten, die sich den SpielerInnen in einer Argumentationskette während des Spielens erschließt (Ian Bogost). Die prozedurale Rhetorik wird auf der anderen Seite auch als Propaganda eingesetzt wie das Spiel Americaʼs Army beweist, das von der US-Regierung in Auftrag gegeben und kostenlos zur Verfügung gestellt als Rekrutierungswerkzeug fungiert. Stephan Schwingeler
Global Games
11. August 2015 bis 17. April 2016