In girum imus nocte et consumimur igni *

Das Basler Museum Tinguely zeigt vom 4. April bis 5. August 2007 eine umfangreiche, in Kooperation mit dem Centraal Museum Utrecht entwickelte Ausstellung zu einer der unbekanntesten und dabei doch einflussreichsten (Anti-) Kunstbewegungen der Nachkriegszeit: der Situationistische Internationale (SI).

Diese letzte internationale Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts, die Paris zum Zentrum hatte, existierte in wechselnder Zusammensetzung mit insgesamt 72 europäischen, amerikanischen sowie nordafrikanischen Mitgliedern zwischen 1957 und 1972. Leitfigur der SI war Guy Ernest Debord (1931–1994), um dessen Vita sich die Ausstellung denn auch gruppiert.

Auf dem revolutionären Programm der SI stand die Abschaffung jeder Form von Repräsentation, also die Untergrabung jeder Autorität, die Zerstörung aller Machtsymbole, die Abschaffung der Kunst – selbst derjenigen der Klassischen Avantgarde – und aller anderen Formen des kulturellen Spektakels, die Rückgewinnung der in der Konsum- und Warengesellschaft enteigneten Lebenswirklichkeit – kurzum der Kampf gegen die spätkapitalistischen Enteignung.

Die Ablehnung des gängigen intellektuellen Diskurses, die politische Radikalität, aber auch ganz lapidar die geringe Zahl der Mitstreiter haben zur relativen Unbekanntheit Guy Debords und der SI ausserhalb Frankreichs beigetragen. So bleibt die historische Bedeutung der SI, die an den Schnittstellen zwischen Kunst und Politik, Kunst und Wirklichkeit operierte, bis heute schwer zu fassen.

Dabei fanden – nicht zuletzt durch den grossen Einfluss der radikalen Gesellschaftskritik der SI auf die Studentenrevolte – situationistische Ideen weite Verbreitung und haben international in Kunst, Politik, Architektur und Pop bis in die Gegenwart hinein Spuren hinterlassen. Ihre Methoden tauchen in Fluxus, Punk, Performance sowie bei den Aktionen der Globalisierungsgegner des 21. Jahrhunderts auf.

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und gliedert sich in acht Abteilungen, die die Entwicklung von den Vordenkern und Vorläufern der SI wie den Lettristen und COBRA über die intensive Zusammenarbeit von Theoretikern und Künstlern in den sechziger Jahren und die Studentenunruhen von 1968 veranschaulicht, die stark durch die SI beeinflusst wurden. Abschliessend verfolgt sie die Spur einzelner »Mitglieder« nach ihrem Ausschluss durch Debord.

Die Klammer um alle Teile bildet Debords später Film »In girum imus nocte et consumimur igni« (* »Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verschlungen«) von 1978, in welchem er retrospektiv-verklärend auf die grosse Zeit der SI blickt.


Die Situationistische Internationale (1957 – 1972)
4. April bis 5. August 2007