Friedrich Dürrenmatt – Porträts und Selbstporträts

Friedrich Dürrenmatt porträtierte gerne sein näheres Umfeld – seinen Freundeskreis, seine Familie oder seine engsten Mitarbeitenden. Auch von sich selbst schuf er zahlreiche Porträts und nahm dabei die eigene Person schonungslos in den Blick. Die aktuelle Ausstellung im Centre Dürrenmatt präsentiert über dreissig selten gezeigte Porträts von Dürrenmatt.

Eine Ausstellung zur Porträtmalerei Friedrich Dürrenmatts (1921-1990) ruft Erinnerungen an seine Familie und seinen Freundeskreis wach. In der Tat hat Dürrenmatt ausschliesslich Personen aus seinem nächsten Umfeld gemalt. Das Zeichnen und die Malerei blieben zeitlebens eine private Angelegenheit, die Dürrenmatt jedoch immer mit grosser Leidenschaft ausgeübt hat, obwohl er sich mit 25 Jahren dazu entschieden hatte, die Schriftstellerei zu seinem Beruf zu machen. Es gibt deshalb keine Porträts von professionellen Modellen oder Auftragsarbeiten. Die Zeichnungen und Gemälde zeugen vielmehr von der engen und oft auch intimen Beziehung zwischen Maler und Modell.

Friedrich Dürrenmatt hat sich erst relativ spät, im Laufe der 1960er-Jahre, der Porträtmalerei zugewandt, probierte dabei aber zahlreiche Wege dieses Genres aus. In seinen Augen besitzt das Porträt einen ganz besonderen Wert: „Hätte ich mehr Zeit, und wäre mein Beruf nicht Schriftsteller; ich würde viel mehr portraitieren.“ Hugo Loetscher erklärt den Reiz des Porträtierens mit einer philosophischen Frage: Dürrenmatt wolle auf diesem Weg verstehen, "was macht Wirklichkeit aus, was ist das Verhältnis von Wirklichkeit und Wahrheit".

In Dürrenmatts Atelier fand kein langwieriges Posieren statt. Gemäss seiner eigenen Aussage sind die meisten Porträts „sehr schnell“ entstanden, häufig auch aus dem Gedächtnis heraus. Mit einigen wenigen Pinsel- oder Bleistiftstrichen verstand es Dürrenmatt, die wichtigsten Gesichtszüge zu erfassen und die von der Person ausgestrahlte Energie einzufangen. Ein grosser Teil seiner Porträts zeigt einen freundschaftlichen Moment bei einem Glas Wein (so etwa die Porträts von Daniel Keel, Helmut Qualtinger oder Eugène Ionesco). Aus seinem Familienleben stellte er eher Szenen des Alltags dar, die seine Kinder und seine erste Frau Lotti bei alltäglichen Aktivitäten zeigen.

Das Porträt war für Dürrenmatt auch ein Weg, den Verlust seines Freundes Varlin zu verarbeiten. Ihm widmete er eine Reihe besonders berührender Zeichnungen, welche die letzten Tage vor dessen Tod dokumentieren. Auch wenn einige Porträts wie Karikaturen wirken, beispielsweise jene von Hildi Hess oder Peter Bichsel, sind andere – Hans Liechti oder René Müller – eher im Bereich der "psychologischen" Porträts anzusiedeln. Diese Art des Porträts entstand im 17. Jahrhundert und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sich der Maler vielmehr für die Persönlichkeit seines Modells interessiert als für dessen sozialen Status. Dürrenmatt wendete diese Form vor allem bei den Selbstporträts an: hier spielt spielt der Blick des Dargestellten eine wesentliche Rolle – im Gegensatz zu den Porträts, wo geschlossene, gesenkte oder pupillenlose Augen im Stile Modiglianis einen abwesenden oder emotionslosen Blick erzeugen. Eine Ausnahme bildet das hypnotisierende Porträt von René Müller.

Friedrich Dürrenmatt – Porträts und Selbstporträts
18. Juli bis 16. September 2012