Franz Pichler – Hab keine Angst

Anlässlich seines 75sten Geburtstages widmet Kunst Meran dem Künstler Franz Pichler eine erste umfassende Zusammenschau seines künstlerischen Schaffen von den 60er Jahren bis heute. Franz Pichler wurde 1939 in Schenna geboren, ab 1959 studierte er Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in München, wo er in Rekordzeit in die Meisterklasse aufgenommen wurde und 1964 mit Diplom abschloss.

Seit über 50 Jahren arbeitet Pichler an seinem umfassenden und vielfältigen bildhauerischen und grafischen Werk. Seine Plastiken sind gekennzeichnet von einer großen formalen Kraft und darstellenden Qualität, während seine grafischen Arbeiten in erster Linie sein politisches Engagement als Künstler widerspiegeln, welches im Jahre 1975 unter dem Motto "Der Alltag ist unsere Kultur" in der Mitbegründung des Südtiroler Kulturzentrums gipfelte. Bis heute ist das gesellschaftspolitische Engagement in der Kunst von Franz Pichler ungebrochen.

Die Ausstellung präsentiert sich nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern eröffnet den Zugang zu Pichlers Werk über verschiedene thematische Schwerpunkte, welche eine inhaltliche Lesart des künstlerischen Werkes von Pichler ermöglichen, und gleichzeitig seine Auffassung von Skulptur über die Jahre hinweg deutlich werden lassen. Ausgangspunkt der künstlerischen Auseinandersetzung ist bei Franz Pichler stets das Leben in seinen vielfältigen Facetten, die Dinge und Themen, die uns alltäglich umgeben, sowie das Gespür und Interesse des Künstlers für unsere Umwelt, für politische und soziale Umstände und für zwischenmenschliche Themen.

Skulptur entsteht bei Franz Pichler folgerichtig stets durch Konstruktion, durch das Zusammenfügen und Umdeuten von vorgefundenen Objekten aus unserem Alltag, durch Material- Farb- und Formkompositionen anhand der Techniken von Collage, Assemblage oder Montage, eine künstlerische Vorgangsweise mit zutiefst spielerischem, anarchischem aber auch provokativem Charakter. Dieser lässt künstlerische Einflüsse von Fluxus und Pop Art mit ihrer Affinität zu den einfachen Dingen des Alltags sowie ihrer Betonung des künstlerischen Experiments und des Spielerischen deutlich werden.

Abstraktion und Darstellung stehen bei Pichler in steter kreativer Spannung zueinander, das Streben nach Vereinfachung und Reduktion spielt genauso eine Rolle wie das figurative bzw. erzählerische Moment. Wichtige Wegweiser waren für Franz Pichler zu Beginn der 60er Jahre die Schriften von Erich Fromm, Theodor Adorno und Margarethe und Alexander Mitscherlich. Was die Bildhauerei betrifft, so waren es vor allem Constantin Brancusi und Alberto Giacometti, deren künstlerische Haltung, deren Umgang mit Form und Raumauffassung ihn stark geprägt haben.

Franz Pichlers Arbeiten vermitteln sich uns BetrachterInnen in erster Linie durch ihre formale Kraft und ihren archaischen Charakter, wodurch sie uns zuallererst auf der Ebene der Wahrnehmung begegnen, und erst in einem zweiten Moment auf jener des inhaltlichen Verstehens. Sie handeln von dem Gewicht und der Textur des Materials, vom Ausgleich zwischen Be- und Entlastung, von dem Verhältnis zwischen Volumen und Raum, und dem Spiel mit den verschiedenen Bedeutungsebenen. Sie zeigen aber auch, dass alles wichtig ist, der Kern der Aussage genauso wie seine Rahmenbedingungen. Und so macht das themengebende Objekt in Pichlers Plastiken meist nur den kleinsten Teil der Skulptur aus, gerahmt und gehalten von konstruktiven Elementen bis hin zu den Sockeln, welche niemals nur unbedeutende Unterbauten, sondern stets integrierende Teile des Werkes sind.

Durch diese kreative Lust des Umgehens mit Formen, Farbgebung, aber auch mit Sprache und Text fordert der Künstler uns BetrachterInnen heraus, unsere Sinne zu schärfen. Es reicht demnach nicht aus, Pichlers Skulpturen nur von einem Blickwinkel aus anzuschauen, nein, wir müssen uns bewegen, um die Werke herumgehen, sie von allen Seiten betrachten, um zu entdecken, dass sie uns von allen Seiten ein anderes Gesicht zeigen. Franz Pichlers Skulpturen sind meist schlank, streben in vertikaler Orientierung nach oben, leichte Neigungen durchbrechen und öffnen den Blick. Die Arbeiten haben teils geometrische, konstruktivistische Züge, doch Material und Formensprache streben stets hin zum Darstellenden und zum inhaltlichen Statement. Die Farbe Rot, welche sehr häufig in seinem Werk vorkommt, hat symbolische Kraft und Bedeutung. Die figurativen Elemente sind auf die wesentlichen Grundformen reduziert, und entsprechen genauso wie die Reduktion auf die Grundfarben einer Suche nach Ursprünglichkeit.

So lässt uns der Künstler immer wieder neue Facetten entdecken, denn so wie seine bildhauerischen Werke ist auch das Leben nie eindeutig und stets vielfältig und kompliziert. Es will mit scharfer Urteilskraft aber auch mit Humor betrachtet werden, denn die eine Wahrheit gibt es nicht, nicht in der Kunst, und schon gar nicht im Leben. Und Pichler startet immer von einer Auseinandersetzung mit dem realen Leben, welches trotz seiner spielerischen Elemente nicht immer leichte Kost sondern häufig harter Tobak ist. Doch der Titel der Ausstellung stimmt versöhnlich und warm: Hab keine Angst. Franz Pichler hat keine Angst, er bleibt dran an seinen Arbeiten, bis sie zu dem werden, was sie sein sollen, nämlich Metaphern für eine tiefgründige Suche nach dem Menschlichen.
SabineGamper

Franz Pichler – Hab keine Angst
29. Januar bis 6. April 2014