Fotografischer "Nachruf" auf das Kultlokal Sternbräu

Nach 121 Jahren Betrieb war der 11. November 2020 der letzte reguläre Öffnungstag für das Rankweiler Bier-Kultlokal Sternbräu. Nachdem die Nachricht vom Ende dieser Wirtschaft die Runde gemacht hatte, begann der Feldkircher Fotograf Nikolaus Walter das Haus, seine Eigentümer und seine Gäste, die sich aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten zusammensetzten, zu fotografieren. Als eine Art Hommage an dieses traditionelle Haus hat die Marktgemeinde Rankweil unter dem Titel "Sternbräu Rankweil" ein Buch herausgegeben, in dem eine feine Auswahl an fotografischen Impressionen Walters sowie Texte der Familie Wetzel, von Norbert Schnetzer sowie Doris Knecht präsentiert werden. Die Publikation bietet nicht nur einen Einblick in die Geschichte des Hauses, sondern auch einen authentischen Blick auf die Gesellschafts- und Sozialgeschichte Rankweils und Umgebung.

Helmut Wetzel, der das Sternbräu mehrere Jahrzehnte führte, war ein echtes Original und zumeist barfuss im Lokal und im Gastgarten anzutreffen. Er meinte einmal: "Es sind nicht Holz, Stahl, Steine und Beton, die diese Gaststätte ausgemacht haben, sondern es sind die Menschen, die an den Tischen in diesem Gebäude Platz genommen haben."

Nikolaus Walter, der früher ausschließlich analog und schwarzweiss fotografiert hatte, ist ausser mit Fotoreportagen vor allem mit fotografischen Langzeitstudien bekannt geworden, in denen er sich über mehrere Jahre hinweg immer wieder mit einem bestimmten Thema auseinandergesetzt hat. So hielt er beispielweise die Entwicklung des Großen Walsertal über Jahrzehnte im Bild fest. Buchdokumentationen wie etwa "Steiles Erbe" sind heute zu wichtigen sozialhistorischen Quellen geworden.

Auch das "Sternbräu Rankweil" darf als solches Langzeitprojekt gewertet werden. Die letzten eineinhalb Jahre vor dem Zusperren besuchte Walter dieses Wirtshaus fast wöchentlich und hielt Unmengen von Situationen mit der Kamera fest. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der älteren honorigen Herren am Stammtisch mit den Wandmalereien im Hintergrund zum Beispiel wirken wie Genre-Bilder aus vergangenen Zeiten. Daneben waren es die vielen unterschiedlichsten Gruppen, Arbeits- und Vereinskollegen, die einfach so im Sterna zusammengekommen sind. "Man trifft sich auf ein Bier, das war es halt!" (Wetzel) Und Walter drückte immer im richtigen Moment auf den Auflöser. Wenn die Stammgäste gerade am heftigsten gestikulierten, wenn eine Runde zum Prost die Gläser klirren liessen, oder wenn jemand beim Kartenspiel gerade den Trumpf zum Stich ausspielte.

In der warmen Jahreszeit verlagerte sich das gesellige Zusammensein vor allem in den Gastgarten. An einem lauen Sommerabend musste man Glück haben, um noch einen guten Platz ergattern zu können. Nikolaus Walter bat seine "Opfer", die er fotografieren wollte, vorab um Einverständnis. Den Auslöser betätigte er aber meist erst, wenn die Leute nicht mehr damit rechneten. Somit wirken seine Aufnahmen überaus spontan und authentisch. Die situativen Szenerien spiegeln die realen Stimmungsbilder wieder. Und so evoziert der Fotokünstler mit seinen Bildern in so manchem Sterna-Besucher eindringliche Erinnerungen an so manchen gemütlichen Hock.

Nikolaus Walter: Sternbräu Rankweil
Hrsg.: Marktgemeinde Rankweil
Sonderband 2 zur "Reihe Rankweil"
Fotografien: Nikolaus Walter
Mit Texten von Helmut Wetzel, Doris Knecht, Norbert Schnetzer u.a.
Hardcover, 92 Seiten,
ISBN 978-3-901469-30-5
Preis: EUR 20.-