Felix & Fanny

20. März 2013 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Diese beiden Ihnen vorzustellen, wäre wie Eulen nach Athen zu tragen. So möchte ich sie Ihnen lediglich in Erinnerung rufen. Jakob Ludwig Felix Mendelssohn Bartholdy , geboren am 3. Februar 1809 in Hamburg, verstorben am 4. November 1847 in Leipzig und seine Schwester Fanny Hensel, geboren am 14. November 1805 in Hamburg, verstorben am 14. Mai 1847 in Berlin.

In einem Nachruf des englischen Kritikers Henry Chorley war zu lesen: "Wäre Madame Hensel die Tochter eines armen Mannes gewesen, so wäre sie in der Welt so berühmt geworden wie Madame Schumann und Madame Pleyel, als eine Pianistin der höchsten Klasse. Wie ihr Bruder hatte sie in ihren Kompositionen eine südländische Lebhaftigkeit, die man bei Deutschen so selten findet. (...)" (so so!).

Und wäre Fanny ein Mann gewesen, hätte ihr Vater sie nicht, als sie dann etwa 14 Jahre war, auf ihre zukünftigen Pflichten als Frau, genauer gesagt, als Ehefrau und Mutter in aller Deutlichkeit hin- und in die Schranken gewiesen! Lediglich, oder doch großzügigerweise, wurde ihr gestattet, bei den von ihrem Vater organisierten "Sonntagsmusiken" im Hause Mendelssohn mit Musikern der Hofkapelle ihre eigenen Werke in einem halböffentlichen Rahmen und vor einem ausgewählten Publikum zu erproben. Zu jenem Publikum zählten unter anderem die Brüder Humboldt, Franz Liszt, Clara Schumann, Johanna Kinkel, Heinrich Heine.

In einem Brief an Karl Klingemann schrieb Fanny Mendelssohn in März 1829: "(...) Daß man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt, ist ein Punkt, der einen in Wuth, u. somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Uebel ärger würde."

Und mögen sich die Geschwister Fanny und Felix noch so sehr geliebt haben, so war und blieb zwischen ihnen stets das große "Problem", daß Fanny nun mal weiblichen Geschlechtes war. Dies schließe ich unter anderem aus den Zeilen, die sie 1846 (sie war 41) ihrem Bruder schrieb: "Eigentlich sollte ich Dir jetzt gar nicht zumuthen, diesen Quark zu lesen, beschäftigt wie Du bist, wenn ich Dir nicht hätte schreiben müssen, um Dir etwas mitzutheilen. Da ich aber von Anfang an weiß, daß es Dir nicht recht ist, so werde ich mich etwas ungeschickt dazu anstellen, denn lache mich aus, oder nicht, ich habe zu 40 Jahren eine Furcht vor meinen Brüdern, wie ich sie zu 14 vor meinem Vater gehabt habe, oder vielmehr Furcht ist nicht das rechte Wort, sondern der Wunsch, Euch u. Allen die ich liebe, es in meinem ganzen Leben recht zu machen, u. wenn ich nun vorher weiß, daß es nicht der Fall seyn wird, so fühle ich mich rather unbehaglich dabei. (...)" Es Allen recht zu machen..., ja, wäre Fanny ein Mann gewesen...!

"(...) Schande hoffe ich Euch nicht damit zu machen, da ich keine femme libre u. leider gar kein junges Deutschland bin. (...)" Jene Worte der Rechtfertigung waren nötig, nur, weil Fanny Mendelssohn einem Verleger ihr Einverständnis zur Veröffentlichung einiger ihrer Kompositionen gegeben hatte. Aus Fannys Tagebuch, 14. August 1846: "Endlich hat mir Felix geschrieben und mir auf sehr liebenswürdige Weise seinen Handwerkssegen ertheilt; weiß ich auch, daß es ihm eigentlich im Herzen nicht recht ist, so freut mich doch, daß er endlich ein freundliches Wort mir darüber gegönnt!" Dennoch wurde Fanny Mendelssohn-Hensel die einzige Kapellmeisterin des 19. Jahrhunderts!

"Madame Hensel war eine unvergleichbare Musikerin, eine ausgezeichnete Pianistin, eine geistig überlegene Frau; sie war klein, fast schmächtig, aber der feurige Blick aus tiefen Augen verriet ungewöhnliche Energie. Als Komponistin war sie von seltener Begabung ..." Wie Recht Charles Gounod mit dieser Einschätzung hatte, stellt das Ensemble Quatuor Ebene eindrucksvoll unter Beweis. "Mendelssohn: Felix & Fanny", so der Titel ihres aktuellen Albums (Virgin-Classics/EMI). Tauchen Sie ein, in die musikalische Welt dieser Geschwister, beginnend mit dem Streichquartett Nr. 2 von Felix Mendelssohn, welches er größtenteils im Alter von 18 Jahren (1827) komponierte. Die zweite Einspielung ist das Streichquartett in Es-Dur, von Fanny Mendelssohn-Hensel zwischen 1822 und 1846 komponiert.

Felix‘ Streichquartett Nr. 6, begonnen im Sommer 1847, vollendet im September, ist ein Schrei nach seiner Schwester Fanny, die im Mai einen Schlaganfall erlitten hatte und starb. Tragischerweise geschah dies während einer Probe, die sie dirigierte. Es war "Die erste Walpurgisnacht" ihres Bruders. Ihren Tod überlebte Felix nicht lange. Kaum ein halbes Jahr nachdem Fanny gestorben war und er das 6. Streichquartett vollendet hatte, starb auch er – ebenso wie seine Schwester an den Folgen eines Schlaganfalles. Zu seinem ersten Todestag wurde in Leipzig jenes "Streichquartett-Requiem" uraufgeführt. Die französische Biografin Brigitte François-Sappey beschreibt das Verhältnis der Geschwister mit "Saiten und Seelen im Gleichklang".

Technisch perfekt, energisch, leidenschaftlich und ausdrucksstark, ohne Firlefanz und Schnickschnack, frei von Kitsch, nicht gefühlsduselig, sondern herzhaft herzlich, nicht mimosenhaft, dennoch unglaublich larmoyant interpretieren die jungen Musiker von Quatuor Ebene die Kompositionen der Geschwister Mendelssohn. Eine Einspielung, die ich Ihnen sowohl ans Herz, als auch in ein Päckchen legen möchte, um sie Ihnen zu schicken. Beantworten Sie einfach bis zum kommenden Mittwoch folgende Frage (an: antwort@musikkolumne.de): Wie lautet der Name des Vaters von Felix & Fanny Mendelssohn?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt