Ernst Ludwig Kirchner als Architekt

Kirchner vor Kirchner: Nicht weniger als die frühesten Werke des späteren Expressionisten von Weltrang zeigt diese Ausstellung, die aus einem reichen Konvolut an Arbeiten aus den Jahren 1901 bis 1905 im Nachlass Kirchner schöpfen kann. Zum ersten Mal überhaupt werden die virtuosen Architekturzeichnungen und ambitionierten Baupläne des jungen Ernst Ludwig Kirchner in einem musealen Rahmen präsentiert.

Die Entwürfe aus Kirchners Studienzeit in Dresden und München reichen von aufwendigen Innenraumgestaltungen mitsamt Möbeln, Lampen und Wand-ornamenten über Wohnhausprojekte, Malerateliers und Museumsplanungen bis hin zu seiner Diplomarbeit mit dem Entwurf einer kompletten Friedhofsanlage.

Die Ausstellung auf der Mathildenhöhe Darmstadt wird das stark von Jugendstil und früher Moderne geprägte architektonische Werk zum einen in den Kontext seiner Lehrer Fritz Schumacher (ab 1908 Stadtplaner von Hamburg) und Paul Wallot (Baumeister des Berliner Reichstags) sowie seiner Kommilitonen und späteren "Brücke"-Kollegen Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff stellen, zum anderen aber auch die zum Teil frappierende Nähe zum Schaffen der zeitgenössischen Architekten und Gestalter Peter Behrens, Charles Rennie Mackintosh, Erich Mendelsohn und Joseph Maria Olbrich herausarbeiten und damit neben einem monographischen Blick auf Kirchners Frühwerk ein spannendes Kapitel der (Bau)Kulturgeschichte um 1900 erschließen.

Nicht zuletzt vermag das bedeutende Jugendstilkonvolut des späteren Brücke-Künstlers zu zeigen, um wie viel komplexer die Entwicklung der frühen Moderne verlaufen ist, als dies heutzutage weithin wahrgenommen wird. Kein Ort könnte für das Aufbrechen herkömmlicher Sehgewohnheiten und pauschaler Kategorisierungen geeigneter sein als die Mathildenhöhe Darmstadt zwischen Jugendstil, früher Moderne und Proto-Expressionismus.

Ernst Ludwig Kirchner als Architekt
Mathildenhöhe Darmstadt
Museum Künstlerkolonie
2. Oktober 2011 bis 8. Januar 2012