Ein Vogel muss nicht immer fliegen können

Für die nächste Mitgliederausstellung der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs wurde mit "An Vogel" ein Thema vorgegeben, das den Beteiligten einen grossen Auslegungsspielraum bietet. Insgesamt 130 Kunstschaffende haben sich zur Ausstellung angemeldet, die ursprünglich für den Winter 2020/21 geplant war, aber aufgrund der Corona-Pandemie auf den Zeitraum von Mai bis Juni 2021 verschoben wurde. In den komplett freien und kreativen Umsetzungen spiegeln sich nicht nur die vielfältigsten Interpretationen des Ausstellungstitels, sondern auch die unterschiedlichsten eingesetzten Techniken wieder. Sie reichen von der Malerei, Zeichnung und Skulptur bis hin zu installativen Arbeiten, von computergenerierten Schöpfungen bis zu Video- und Soundarbeiten.

Verwendeten Techniken sind keine Grenzen gesetzt

Die in Feldkirch lebende Künstlerin Cornelia Hefel zum Beispiel präsentiert eine analoge Schwarz-Weiss-Fotografie, auf der eine Katze dargestellt wird, die sich gerade einen Vogel geschnappt hat. Mit der auf klassischem Baryt-Fotopapier ausgedruckten Arbeit gehe es ihr in keiner Weise um Bewertungen und Normen, betont Hefel. Viel mehr sollen zentrale existentielle Gegebenheiten, wie das Abbild des Lebens und des Todes aus der Kraft der Ikonografie ins Zentrum gerückt werden. Mit der Darstellung der „Banalität des Bösen“ spielt sie zudem auf ein Zitat der politischen Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt an.

Inhaltlich ebenfalls wörtlich aufgefasst hat das Thema die aus Feldkrich stammende Künstlerin Bianca Lugmayr. Ausgangspunkt ihrer Mischtechnik aus Photografie, Transferdruck, Aquarellfarbe, Nähseide und transparenten Leinen Voile ist ein Taubenkadaver, den sie auf dem Boden eines ungenutzten Stadthauses in der Feldkircher Neustadt liegend gefunden und fotografiert. "Es ist schwerer leise nichts zu sagen, denn ich weiß doch viel mehr über dich als du es dir nur vorstellen kannst", schreit die überarbeitete Fotografie dem Betrachter in krakeligen Buchstaben entgegen.

Albert Allgaier, der in Wien und Yokohama Japanologie studiert hat und unter anderem das Künstlerkollektiv "Gruppe Uno Wien" mitgegründet hat, hat sich in den zahlreichen Lockdowns durch den unerschöpflichen Fundus namens "Willhaben.at" gegraben. Mit dem auf der Online-Plattform gefundenen Material hat er eine unter dem Titel "Dolly '95" eine Assemblage geschaffen, die als eine Art "Zeitmaschine" in eine Vergangenheit führt, die in dieser Form wahrscheinlich gar nie existiert hat.

Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf wiederum sind mit einem gemeinsam entwickelten Objekt aus appretiertem Stoff in der Schau vertreten. Das Künstlerinnenduo arbeitet mit textilem Material, wobei das Verhältnis zwischen Körper und Kleidung den Ausgangspunkt darstellt. Die Arbeit versteht sich als ironisches Interesse an der Vermitteltheit des Körpers durch Kleidung und spielt mit Form, Unförmigkeit und dem Monströsen.

Der Rankweiler Bildhauer Roland Adlassnigg zeigt eine neue Varianten seiner „Hinkelstein“-Schöpfungen. „I wanna be beautiful - I möcht an Vogel si“ betitelt sich seine Skulptur aus Holz, Sand, Stein, Stahl und Feder, die formal stark abstrahiert an einen Vogel erinnert, der sich in einem Futtertrog tummelt. „Doch fliegen kann er leider nicht!“, sagt Adlassnigg, der damit auch Gegensätze wie leicht und schwer, fragil und massiv, oder symbolisch den Einfluß von sozialen Medien anspricht.

Eine großformatige Studie, die der Montafoner Zeichner und Maler Roland Haas für ein Gemälde in Acryl auf Papier angelegt hat, hält genau jenen Moment fest, als er sein Töchterchen Laura quasi „wianan Vogel“ in die Luft wirft. Entstanden ist die Studie laut Haas während seines Atelierstipendiums 2009 in Paliano.

"An Vogel" ist immer auch ein Freiraum

Entfernt an Vogelwesen erinnern die fragilen Zeichnungen von Ruth Rhomberg-Malin. Die eingesetzte rote Tische soll dabei das Pulsierende des Seins unterstreichen. „An Vogel“ sei im Freiraum (Himmel) daheim, und ihre Arbeiten bewegten sich auch immer sozusagen im Luftraum, so die Künstlerin. Das Vibrierende ihres Striches entspricht dabei auch dem Rhythmus der Zeit. Ruth Rhomberg-Malin: „Abgespeichertes verbildlicht sich, bis der letzte Strich gesetzt ist.“

Bei Gerold Malins Bildern handelt es sich um intuitive Farbgegenüberstellungen, die sich zu Horizonten, Landschaften oder einfach zu Farbspielen verdichten. Sie entstehen durch langes Schauen, Innehalten, Aufspüren. Die Pigmente für diese Eitemperabilder kaufe er den Ländern, die er bereist.

Ungewohntes, weil nicht in Keramik gearbeitet, gibt es diesmal von Maria Jansa zu sehen. Die Idee zur Skelett-Installation „Danse macabre“ sei unter dem Eindruck der Pandemie entstanden, lässt die aus Fraxern stammende Objektkünstlerin wissen. Inspiriert worden sei sie dazu einerseits von Knochen in ihrer rohweissen Formenvielfalt sowie von Joseph Bueys Schmerzraum-Installation "Hinter dem Knochen wird gezählt“, andererseits von alten Darstellungen sogenannter Totentänze in Zeiten des Massensterbens am "Schwarzen Tod". Mit dem Titel ihrer Arbeit bezieht sie sich direkt auf das älteste überlieferte Wandgemälde Anfang 1400 auf einer Friedhofsmauer in Paris: „La Danse macabre“.

Die in einem „primär automatistischen Fluss entsichtbaren Zeichnungen“ der Serie „Looking for unknown dimensions“ von Harald Grünauer wiederum können als Transformationen von Raumzeit gelesen werden, in denen der Technik und der Formensprache eine besondere Bedeutung zukommt. Das Material der Farbstifte soll dabei die Fließrichtung der Raumzeit vorgeben und die Symbole und Linienführung die Raumzeit ins Endlose fortsetzen, so die kryptische Erklärung des Künstlers.

Was für „An Vogel“ muss man haben, um Zopfmäuse zu malen, könnte man sich beim Beitrag von Edith Hofer denken. Sie malte „Mäuse“ aus Zopfbrotteig, die von einer Bäckerei von Hand geformt wurden, in Öl auf kleinformatige Leinwände. Aus dem Kontext des Brotladens genommen, verweist Hofer damit in altmeisterlich anmutender Dramatik auf die Zopfgebilde in ihrer Einzigartigkeit. Solcherart werden sie zu Ikonen der Handwerkskunst, zu Objekten der Regionalität und Originalität. „Sie sind ihrer Vergänglichkeit entrissen, gehen als Bildnisse ein in das ewige Leben, in den Zopfmaushimmel,“ so das schelmische Statement der Lustenauer Malerin und Objektkünstlerin.

Botanische Illustration zwischen Kunst und Wissenschaft

Die Künstlerin Melanie Berlinger beschäftigt sich seit Okt. 2018 intensiv mit botanischen Illustrationen bzw. mit botanischen Zeichnungen. Der ungewohnte Blick auf nahezu alltägliche Gegenstände schafft Kunstwerke, die in ihrer detailgenauen und präzisen Darstellung bestechen. Die Objekte werden losgelöst aus ihrem natürlichen Kontext abgebildet und heben sich kontrastreich vom Hintergrund ab. Die Botanische Illustration ist im Spannungsfeld zwischen Natur, Forschung und Kunst angesiedelt. Diese drei Kategorien bedingen sich gegenseitig und stellen Ressourcen füreinander dar. Sie können als einander zuarbeitende Sphären verstanden werden, welche sich mischen und ein Art Hybrid erzeugen. Detailgenaue Zeichnungen von Pflanzen und Pflanzenteilen spielen in der Botanik nach wie vor eine große Rolle. Modernste Möglichkeiten der Fotografie und Bildbearbeitung können die Kunst der Botanischen Illustration noch nicht ganz ersetzen.

Die in Feldkirch lebende und arbeitende Künstlerin mit dänischen Wurzeln, May-Britt Nyberg Chromy, präsentier im Künstlerhaus eine Installation mit drei im Raum schwebenden Möwen, die sie aus Papiermache geschaffen hat. Mit diesen Objekten spielt die Künstlerin unter anderem auf den Klimawandel an, der etwa bewirkt, dass Pflanzen- und Tierarten plötzlich und unvermutet in Lebensräumen wahrgenommen werden, in denen sie bislang überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten sind. Oder auf die Umweltverschmutzung, besonders der Meere, werden doch immer häufiger in den Mägen und Ausscheidungen der Meeresvögel Mikroplastiken gefunden.

Der ebenfalls aus Lustenau stammende Maler Werner Marxx Bosch präsentiert Kostproben seiner Serie V.I.P. (Very Important Portäts), an der er seit rund zwanzig Jahren arbeitet. Mittlerweile sind Hunderte solcher mit Hilfe des Computers generierten Porträts von Künstlern, Freunden und sonstigen Promis entstanden, die als Giclée-Drucke im Format 70 x 100 cm realisiert werden. Und es gibt auch ein Buch, dass noch seiner Veröffentlichung harrt.

An Vogel
Mitgliederausstellung der Berufsvereinigung
Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs
Palais Thurn & Taxis, Bregenz
15.5.-27.6.
Erweiterte Eröffnung: 14.5.
Mi-Sa 14-18, So u. Fe 11-17
www.kuenstlerhaus-bregenz.at