Ein taktvoller Tod

18. April 2012 Rosemarie Schmitt
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Er war 13, hatte von einem Franziskanermönch das Gitarrenspiel gelernt und sprach fließend italienisch - was für ein in Florenz geborenes Kind nicht wirklich ungewöhnlich ist. Ungewöhnlich ist, daß seine Eltern ihn in diesem Alter schon aus dem Hause und nach Paris schickten, leben doch die heutigen Söhne oft selbstverständlich bei ihren Eltern, bis das Haar zu ergrauen beginnt und die Zeit der Dritten naht.

So ging (was ich nicht glaube, denn vermutlich fuhr er mit einer Kutsche) Giovanni (ein richtiger italienische Junge eben) Battista Lulli nach Paris, um die Cousine Ludwigs XIII. italienisch zu lehren, doch statt dessen hat er dem XIV. das Tanzen beigebracht. Lullis Vater mag zwar ein Müller gewesen sein, aber davon ein Bauer zu sein, war der Junge meilenweit (etwa 1200 kilometerweit) entfernt. Er freundete sich schnell mit dem kleinen Sonnenkönig an (dieser war zu jener Zeit 7) und tanzte mit ihm durch die königlichen Schloßgärten. Lulli erhielt eine musikalische Ausbildung und als Ludwig der XIV. 14 Jahre war, ernannte er seinen Lully zum "Compositeur de la musique du Roi". Was für eine Karriere! Dieser Junge hatte echt "Sonne"! Im Frühjahr 1653 tanzten Lully und "sein" König erstmals zusammen in einem Ballett.

Als Ludwig XIV. 22 Jahre war, beschloß er selbst zu regieren. Ludwig übernahm also die Macht und zeitgleich der kleine Italiener Lully die französische Staatsbürgerschaft und den Namen Jean-Baptiste Lully. Er wurde der "Maître de la musique de la famille royale" und der Schwiegersohn des berühmten französischen Komponisten Michel Lambert (auch wenn der Name neuzeitlich anmutet, Lambert lebte von 1610 bis 1696). Lambert, wenn wundert’s, war ein Förderer von Lully, der seine Karriere äußerst geschickt zu lenken wußte und dem es an Geschäftstüchtigkeit nicht mangelte. Auf Bitten des Königs gründete Lully eine "Académie royale de musique" und so kam es, daß aus einem Italiener einer der größten französischen Komponisten wurde. Er komponierte unter anderem 13 musikalische Tragödien, denen Themen der Weltliteratur zugrunde lagen. So im Jahre 1676 "Atys", 1683 "Phaëton" und 1687 "Armide".

Weshalb ich genau diese 3 Werke erwähne? Weil das Capriccio Barock Orchester die Ouvertüren dieser Werke bei TUDOR Recording AG Zürich (In Deutschland unter Vertrieb bei NAXOS) nun einspielte. Dominik Kiefer spielt in diesem Ensemble in mehrfacher Bedeutung die erste Geige, was diesem Ensemble, eben besonders was die Musik Lullys betrifft, außerordentlich gut steht. Wenig sonnenkönigliches Schnickschnack, keine unnötigen Kinkerlitzchen, sondern eine Nuance akademischer Nüchternheit, deut-und deutschlich, ja schnörkellos kommt Kiefers Lully daher. Musik aus der Zeit des Barock schnörkellos? Ob das paßt? Ja, überraschenderweise tut es das!

Was ebenfalls paßte, war die Chemie zwischen Lully und Moliére! Viele Jahre arbeiteten die beiden zusammen, und diesem kreativen und genialen Kollektiv verdanken wir das wundervolle Genre der "Comédie Ballette", der Ballett-Komödie, wie etwa "Le bourgeois gentilhomme" (Der Bürger als Edelmann). Bedauerlicherweise hielt die Freundschaft der beiden nicht bis ans Lebensende. Jedenfalls nicht bis an das von Moliére, denn kurz vor dessen Tod am 17. Februar 1673, trennten sich die beiden im Streit.

1680 wurde Jean-Baptiste Lully von Ludwig XIV. mit dem Titel des königlichen Sekretärs (secrétaire du roi) in den Adelsstand erhoben. Dies geschah, bevor der Sonnenkönig von dem homosexuellen Umgang Lullys zu einem Pagen erfuhr, denn dies verhagelte die Petersilie des Königs derart heftig, daß er Lully nicht mehr zu sehen, geschweige denn zu empfangen wünschte. Doch dieser Zahn wurde dem König bald gezogen. Das heißt, bei dem Versuch ihm den kranken Zahn zu ziehen, brachen die Ärzte ein Stück des königlichen Oberkiefers heraus, und es war gar nicht gut bestellt um den Monarchen. Er verlor nicht nur einen Zahn, sondern um ein Haar auch sein Leben.

Der König jedoch genas und Lully genoß, anläßlich der Feierlichkeiten zur Genesung des Königs, sein "Te Deum" aufzuführen. Allerdings war dies ein sehr kurzer Genuß, denn noch bevor Lully Gott zu Ende gelobt hatte, rammte er sich seinen Taktstock in den Fuß. Die Wunde entzündete sich in den folgenden Tagen und Wochen so stark, daß Jean-Baptiste Lully an den Folgen dieser Sepsis im Alter von 54 Jahren starb.

Was so ein Kiefer in der Lage ist zu entfachen, ist beeindruckend! Nein, ich meine nicht den kranken Kiefer des Königs, sondern den Kiefer des Barockorchesters Capriccios, der mit einer durchaus gesunden Einstellung zu musikalischen Interpretationsmöglichkeiten, Lullys Musik zum Abspecken eine Frühjahrsdiät verordnet hat, die sich hören lassen kann!

Ihre richtige Anwort per mail an klassik@habmalnefrage.de bis zum kommenden Mittwoch, und das Los entscheiden, ob ich Ihnen die hier rezensierte Aufnahme sende: Wie heißt das Unternehmen, welches den deutschen Vertrieb/Distribution für diese Aufnahme von TUDOR Recording AG Zürich übernimmt? Denken Sie dabei ruhig schon an ihren Sommerurlaub auf einer der griechischen Inseln.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt