Ein Muß sowieso, ein Schätzchen vielleicht

24. April 2013 Rosemarie Schmitt
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Von den insgesamt 32 Klaviersonaten, die Ludwig van Beethoven komponierte, mag ich sie am liebsten. "Pathétique", so nannte Beethoven selbst jene Sonate die er in Wien im Jahre 1798, er war 27 Jahre jung, komponierte. In jenem Jahr spürte er erstmals Anzeichen einer Gehörschwäche. In diesem, seinem ersten wahrlich heroischen Werk, demonstrierte der Komponist sehr theatralisch seinen unbeugsamen Willen zu ganz großem Gefühl.

Die Sonate Pastorale wurde 1801 komponiert, in jenem Jahr machte Beethoven bereits seine zunehmende Schwerhörigkeit extrem zu schaffen: "Ohren die sausen und brausen; die hohen Töne höre ich nicht, auch höre ich den, der leise spricht kaum; sobald jemand schreit ist es mir unausstehlich."

In einem Brief an seinen Freund, den Theologen und Violinisten Carl Amenda schrieb Beethoven am 1.Juni 1801: "(...) Dein Beethoven lebt sehr unglücklich, im Streit mit Natur und Schöpfer; (...) wisse daß mir der edelste Teil, mein Gehör, sehr abgenommen hat, schon damals, als du noch bei mir warst, fühlte ich davon Spuren, und ich verschwieg’s, nun ist es immer ärger geworden." Die Bezeichnung Pastorale, für jene Klaviersonate in D-Dur, stammt übrigens nicht von Beethoven, sondern von dem Herausgeber Cranz.

Die Appassionata (die Leidenschaftliche) ist kein Büstenhalter und keine Pferdeshow, sondern ebenso wie die Pathétique und die Pastorale eine Klaviersonate. Beethoven ist 33 als er sie komponiert. Wie so oft geht es dem Komponisten nicht gut. Besonders nachdem er gegessen hat klagt er über Schmerzen im Unterleib, er hat Fieber. Seine Diät: Brotsuppe, Makkaroni, Kalbfleisch, Fisch, Zunge, weichgekochte Eier. Sie entstand in den Jahren 1804 und 1805, getauft wurde die Leidenschaftliche, jene Sonate in f-Moll, jedoch erst im Jahre 1838, ebenfalls vom Verleger Cranz.

Sie wurde erst viele viele Jahre später in Lothringen getauft, und noch einige Jahre später studierte sie bei den besten Professoren ihres Faches. Mit den bekanntesten Orchestern und den berühmtesten Dirigenten steht, beziehungsweise sitzt sie, auf den größten Bühnen der Welt, und doch haben zu viele noch nichts von ihr gehört. Das ist sehr bedauerlich, und jene, die die Konzertpianistin Patricia Pagny je hörten, werden mir dies bestätigen. Ihre Einspielung mit den Liedern ohne Worte von Mendelssohn wurde vom ARTE-Fernsehen als eine der fünf besten Aufnahmen des Jahres 2007 ausgewählt.

Neben ihrer Konzerttätigkeit als Solistin und Kammermusikerin ist Patricia Pagny Professorin an der Hochschule der Künste Bern. Ihre aktuelle CD, es ist bereits die achte, die sie bei dem Schweizer Label NOVALIS (inakustik) aufgenommen hat, widmet sie ihren Studenten, jungen Menschen, die sie auf ein Leben wie das Ihre vorbereitet, auf ein Leben als Konzertpianist/in. Pagny entschied sich für die Aufnahme eben jener drei oben erwähnten Klaviersonaten: Grand Sonate Pathétique, Pastorale und Appassionata. Sie gehören ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten Sonaten Beethovens und ganz sicher nicht zu seinen unbekanntesten.

Ich "mußte" mich erst hineinhören in diese ungewöhnliche Einspielung. Zum einen ist es die Live-Atmosphäre, zum anderen, was mir allerdings erst beim wiederholten Hören bewußt wurde, der spezielle Klang dieses 275 cm langen Yamaha CFX-Flügels, der mir zunächst etwas befremdlich schien. Weder befremdlich, sondern perfekt und einfach ein Genuß sowie eine Freude, sind sowohl die Ton- und Aufnahmequalität als auch das Klavierspiel von Patricia Pagny. Klar, dynamisch, ausdrucksstark, technisch brillant, nicht mit exzessivem, jedoch ganz ordentlichem Temperament interpretiert sie drei der schönsten Klaviersonaten Beethovens.

Ein Muß für jeden, der noch keine Einspielung dieser Sonaten besitzt – ein Schätzchen vielleicht für jene, die noch eine ganz besondere haben möchten.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt