Ein Mann für jedes Genre

30. April 2007 Walter Gasperi
Bildteil

Kein individueller Stil kennzeichnet die Filme des am 29. April 1907 geborenen Fred Zinnemann. Immer ordnete der gebürtige Wiener die Inszenierung dem Stoff unter. Weder spezialisierte er sich auf ein Genre noch auf ein Thema, wiederkehrend ist aber das auch in »High Noon« im Mittelpunkt stehende Motiv des in einem Gewissenskonflikt stehenden Menschen.

Nach dem Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften begann Fred Zinnemann 1927 in Paris eine Ausbildung als Kameramann. Der dokumentarische Blick, den der Sohn jüdischer Eltern dabei entwickelte, zeichnete schon den teilweise von ihm fotografierten und geschriebenen Berlin-Film »Menschen am Sonntag« (1929) aus. Bald darauf (1929) ging er in USA, wurde 1936 amerikanischer Staatsbürger und arbeitete als Kurz- und Dokumentarfilmregisseur.

Vom genauen realistischen Blick für den Alltag, aus dem sich atmosphärische Dichte entwickelt, leben vor allem seine frühen Spielfilme. Bestechend wie wenige Regisseure seiner Zeit fing Zinnemann in der im Studio gedrehten Anna Seghers-Verfilmung »The Seventh Cross« (1944) die Stimmung im nationalsozialistischen Deutschland ein, zeichnete in dem vom italienischen Neorealismus beeinflussten »The Search« (1948) vor der Kulisse des zerbombten Deutschland ein zeitloses erschütterndes Psychogramm eines Flüchtlings und Kriegswaisen, und schilderte in »The Men« (1950) semidokumentarisch die Situation von Kriegsversehrten.

Seinen ersten Welterfolg landete Zinnemann aber mit dem Western »High Noon« (1952). Auch hier wird auf Spektakel verzichtet, auch hier fängt Floyd Crosbys Kamera fast dokumentarisch die schäbige Westernstadt ein. Gleichzeitig erweist sich Zinnemann mit diesem mit drei Oscars ausgezeichneten Film auch als ein Regisseur, der dazu tendiert, mit seinen Filmen Botschaften zu transportieren. Denn »High Noon« ist eben nicht nur ein Western, sondern auch eine widersprüchlich lesbare Reflexion über das zeitgenössische Amerika: Ist im zweifelnden, aber sich der Gefahr dann doch stellenden Sheriff Will Kane der von der Kommunistenjagd McCarthys bedrohte anständige Amerikaner zu sehen, der dennoch aufrecht seinen Weg geht, oder ist dieser Film, in dem der Sheriff die friedliche Stadt gegen die fraglos bösen Eindringlinge verteidigt, als Parabel auf den Korea-Krieg zu lesen.

Mit »High Noon« öffneten sich für Zinnemann die Tore Hollywoods weit und er konnte mit Starbesetzung James Jones-Bestseller »From Here to Eternity« (1953) verfilmen. Je größer freilich das Budget wurde, desto stromlinienförmiger wurden die Filme. Die realistische Alltagsschilderung tritt in diesem Drama hinter der Handlungsfülle zurück und die Kritik am Kasernenhofdrill wurde gegenüber der Vorlage gemildert.

Seine Vielseitigkeit belegte Zinnemann auch mit der Musicalverfilmung »Oklahoma« (1955), »The Nun´s Story« (1959) und der australischen Schafzüchtergeschichte »The Sundowners« (»Der endlose Horizont«, 1959). So routiniert und sorgfältig diese Filme aber auch inszeniert waren, so konventionell waren sie auch und ließen eine eigene Handschrift vermissen. Dies gilt auch für die Verfilmung von Robert Bolts Drama »A Man for All Seasons« (1966), doch mit dem Thema des im Gewissenskonflikt zwischen Kirche und Staat stehenden Lordkanzlers Thomas Morus fand Zinnemann wieder ein Thema, das er fesselnd umzusetzen verstand.

Gary Cooper in »High Noon«, die von Glaubenszweifeln gequälte Audrey Hepburn in »A Nun´s Story« und Paul Scofield in »A Man for All Seasons« – von Gewissenskonflikten gequälte Menschen, Menschen, die in einer schwierigen Situation eine Entscheidung treffen müssen, faszinierten Zinnemann. Gleichzeitig war der gebürtige Wiener, der am 14. März 1997 in Los Angeles starb, aber auch ein Mann für jedes Genre und jede Vorlage, der gestützt auf ein erstklassiges Team und hochkarätige Darsteller - Zinnemann arbeitete mit zahlreichen Stars von Marlon Brando und Montgomery Clift über Audrey Hepburn und Robert Mitchum bis Sean Connery, Vanessa Redgrave und Jane Fonda - jeden Job versiert ausführte.