Ein Maler des gesellschaftlichen Umbruchs

3. August 2008
Bildteil

Das moderne China erlebt derzeit einen ökonomischen und kulturellen Aufbruch, der ohne Gleichen ist. Nirgendwo sonst werden der Segen und der Fluch der Globalisierung eindrücklicher widergespiegelt als in den Kunstwerken der chinesischen Avantgarde-Künstler. In einer 4-teiligen Reihe wird die Geschichte und die Hintergründe der herausragendsten Werke chinesischer Shootingstars erzählt – allesamt Repräsentanten einer Generation des Aufbruchs. Die Reihe beginnt mit dem derzeit teuersten Maler des modernen Chinas: Liu Xiaodong - der Maler des gesellschaftlichen Umbruchs.

Liu Xiaodong, dessen letztes Gemälde für mehrer Millionen versteigert wurde, hat sich auf einem Brachland in der tibetischen Hochebene eingerichtet: Politisch brisantes Territorium, seine Spezialität. Außergewöhnlich kritisch sezieren seine Bilder den gesellschaftlichen Umbruch Chinas. Er enthüllt die drängende, besitzergreifende Dynamik der Industrialisierung, den großen Komplex von Flucht und Vertreibung, vom Sterben der Tradition. Gerade mal 10 Tage Zeit nimmt sich Liu Xiaodong, um seine Vision der industriellen Eroberung dieses letzten Winkels Chinas auf die Leinwand zu bringen. In dem gewaltigen Panorama in 3000 Meter Höhe porträtiert er Menschen der tibetischen Minderheit.

Gezielt suchte er nach diesem weiten, schroffen Ort, dessen Kargheit und Ödnis ihn herausforderte. Mit einem nostalgischen, fast sentimentalen Blick inszeniert Liu Xiaodong seine Version des Landlebens am Rande der Mongolei. Auf der Suche nach Wildheit und ungebändigter Natur durchkreuzt er die Steppe. Wie in vielen seiner Gemälde der letzten 20 Jahre, richtet der Maler auch diesmal seinen Fokus auf ganz gewöhnliche, einfache Menschen. Doch sie interessieren ihn nicht als Helden oder Klassenheroen. Liu Xiaodong erweitert die Malerei des sozialistischen Realismus. In der chinesischen Malerei gibt es eine lange Tradition, Tibeter zu malen. Erlaubt ist es, sie als gesundes, naturverbundenes Bergvolk zu zeigen und mit einem Schuss Nostalgie zu versehen. Aber nur solange keine Kritik an der Tibet-Politik Chinas mit der Darstellung verbunden ist.

In China gibt es nur wenige Künstler, die souverän mit den Grenzen spielen: einerseits parteikonform zu sein, andererseits politisch Position beziehen und Kritik äußern. Und so lässt Liu Xiaodong seine Figuren subtil die wirtschaftliche Industrialisierung als bedrohliche Kraft erleben, der sie hilflos ausgeliefert sind.


Liu Xiaodong - Der Maler des gesellschaftlichen Umbruchs
Sonntag, den 3. August um 20.15 Uhr, arte

Die Zukunft ist jetzt! China"s Kunst-Avantgarde
Liu Xiaodong - Der Maler des gesellschaftlichen Umbruchs
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Chi Peng - Fotograf des Affenkönigs

Eine Dokumentationsreihe 4x26 min. von Ilka Franzmann und Marco Wilms. Gebrueder Beetz Filmproduktion 2007 im Auftrag von ZDF/arte
Nominiert für den Rose D’or award. Premiere am Do, 25. Juli 08, 19 Uhr in der Alexander Ochs Galerie, Sophienstraße 21, 10178 Berlin