Egoistischer Ölmagnat und grenzenlose Mutterliebe

10. Februar 2008
Bildteil

Wuchtig und immer wieder grandios und damit erster Favorit für den Goldenen Bären der 58. Berlinale ist Paul Thomas Andersons Epos "There Will Be Blood", leise Töne schlägt dagegen der Chinese Wang Xiaoshuai an, der in "Zou You – In Love We Trust" von grenzenloser Mutterliebe erzählt.

Ohne Vorspann und ohne Musik, nur begleitet von einem sirrenden Geräusch beginnt Paul Thomas Andersons erster Film seit sieben Jahren in der Dunkelheit eines Goldgräberschachtes in der Halbwüste von Texas. Fast nur die Funken der Pickelschläge sorgen für Licht. Doch Daniel Plainview findet Gold und vier Jahre später - wir schreiben 1902 - auch Öl.

Land wird er - sein Namen verweist schon darauf, dass er über Weitsicht verfügt -, aufkaufen, und die armen Farmer dadurch für sich gewinnen, dass er seinen Sohn zu den Kaufverhandlungen immer mit sich nimmt. Einen Kontrahenten findet er aber im jungen Eli, einem religösen Fanatiker, der sich ganz in den Dienst seiner "Kirche der Dritten Offenbarung" stellt. Gegenseitig werden sie sich demütigen und auf den materiellen Aufstieg folgt in der zweiten Hälfte des 158 minütigen Films der Niedergang Plainviews, der Schritt in die totale Einsamkeit, denn dieser Mann denkt nur an seinen Erfolg, benützt Menschen rücksichtslos und hat auch kaum ein Problem damit sich einmal selbst zu erniedrigen, um ein Ziel zu erreichen.

Ein großer Wurf ist dieser Film, der sich an Motiven von Upton Sinclairs Roman "Öl!" orientiert, aber im Entwurf auch wieder so groß, dass er daran zu zerbrechen droht. Unübersehbar ist das Vorbild "Citizen Kane" in der Geschichte von Aufstieg und Niedergang, aber Anderson arbeitet auch mit dem Western, setzt die Geschichte von der Frontier und dem Eisenbahnbau, die im Western erzählt wird, fort mit der Geschichte eines Ölbarons. Und durch und durch amerikanisch ist "There Will Be Blood" durch die zentralen Themen Erfolg, Geld, wirtschaftlicher Aufstieg, Familie und Religion.

Grandios verkörpert Daniel Day Lewis dieses Egomanen Daniel Plainview, dessen einzige Triebfeder des Handelns es ist alle Konkurrenten auszustechen und der in dem von Paul Dano mit keineswegs weniger Inbrunst gespielten Prediger Eli Sunday einen völlig anders gearteten, aber starken Gegner findet. Technisch auf jeder Ebene grandios, was Sounddesign und Kameraarbeit, was den Wechsel von explosiven und actiongeladenen Außenszenen und Konfrontationen der Figuren betrifft, überwältigt "There Will Be Blood" in seiner Bildkraft und erzählerischen Wucht immer wieder, kommt dabei aber auch nie zur Ruhe und tendiert etwas dazu von einem dramatischen Höhepunkt zum nächsten zu springen.

Ein ungleich kleinerer Film ist da Wang Xiaoshuais "Zou You – In Love We Trust". Vor sieben Jahren hat der Chinese in Berlin mit "Beijing Bycicle" den Silbernen Bären gewonnen, nun ist er mit einer sehr menschlichen Geschichte zurückgekehrt. Wang erzählt von einer nach einer Scheidung wiederverheirateten Mutter, die, als sie erfährt, dass ihre an Leukämie erkrankte Tochter nur durch die Rückenmarkspende eines nahen Verwandten, am besten eines Geschwisters, gerettet werden kann, mit ihrem Ex-Mann ein zweites Kind zeugen will.

Bestechend ist "Zou You" in der zurückhaltenden Inszenierung mit sorgfältig kadrierten langen Einstellungen, die das Aufkommen von Sentimentalität verhindern, den gedeckten Farbtönen, der Fokussierung auf die beiden Paare und der Ausleuchtung der Belastungen, die diese Entscheidung für die neuen Partner darstellt. Denn ein weiteres Kind werden sie danach aufgrund der chinesischen Ein-Kind-Politik nicht bekommen können.

Überzeugend ist auch die beiläufige Schilderung der Lebenswelt des Beijinger Mittelstandes, auch wenn die am Beginn thematisierten beruflichen Probleme des Bauunternehmers nicht weiter entwickelt werden. Doch bei all diesen Qualitäten leidet "Zou You" doch an dem schematischen Handlungsaufbau und an der allzu netten Figurenzeichnung. Wenn alle Betroffenen nach anfänglichen Widerständen dann doch immer wieder ein Einsehen mit dem Anliegen der Mutter haben und ihrem Verlangen zustimmen, dann ist das doch zuviel der Sanftheit und man hätte sich einige Brüche und Kanten gewünscht.