Eine Reisepassage aus Syros, der bevorzugten Sommer-Aufenthaltsinsel eines Künstlers und Schriftstellers in Griechenland.
Herr Grünblau ist ein kluger Mann. Er hat schon viel im Leben erfahren und er ist ein aufmerksamer Zuhörer.
Wenn Herr Grünblau auf Urlaub fährt, muss er nur an wenig denken: Eine Luftmatratze, die intakt sein soll, und an die Bücher, die er lesen will. Alles andere ist vollkommen klar und oft schon durchgespielt. Vor Ort gibt es dann kaum Überraschungen. Er weiß, was er will, was zu tun ist – und er ist freundlich.
Sein Tag beginnt zu Mittag, er braucht viel Zeit und kaum Worte. Er sucht mit seinem aktuellen Buch das Café in der Kini Bucht auf, verweigert auch nicht die Gesellschaft, aber diese muss sich ebenfalls Lektüre mitbringen.
Danach geht es direkt in die Delphini-Bucht. Der Lagerplatz ist mit Beschwerungssteinen markiert und die Luftmatratze das einzige Badeaccessoire, kein Handtuch vonnöten. Sehr still ist es dort und sehr schweigsam mit ihm. Abstand wird gehalten, aber das ist nicht so wichtig, denn außer einem freundlichen Rücken ist von ihm nichts zu bemerken.
Herr Grünblau hat ein Auge für schöne Steine, er findet die besonderen und sammelt die runden. Wenn die Sonne an dem nur für ihn ersichtlichen Punkt steht, weiß er, dass es fünf nach vier ist und Zeit zu gehen, ganz ohne Umstände, bloß die Luftmatratze muss im Auto verstaut werden.
Zum Abendessen kann man sich ihm gerne anschließen, falls die Schnittmenge der gemeinsamen Bedürfnisse groß genug ist. Dann wird er zum anspruchsvollen charmanten Gesellschafter. Es ist sehr gemütlich mit ihm und der Abend ermöglicht alles, um zu einem schönen zu werden. Es folgt seine unabdingbare Eigenzeit und doch kann man sich darauf verlassen, dass um halb zwölf die Ouzo-Stunde schlägt. Vielleicht ist der Heimweg in leichtem Schwebezustand sogar romantisch, auf jeden Fall im Nachklang, wenn die Tür ins Schloss gefallen ist.
Es ist nicht so, dass er gegenüber Ankommenden gar keine Bereitwilligkeit zeigt. Es kann sogar sein, dass er zwei Stunden Verspätung der Fähre in Kauf nimmt um bei einem schweren Koffer behilflich zu sein, oder dass er die Insel abfährt, um die schönsten Plätze zu zeigen. Und zum Abschied kommt er auch am Morgen an den Hafen um sich von der tatsächlichen Abreise zu überzeugen.
Zu den außerordentlichen Erlebnissen gehören die Zigarettenpausen mit ihm oder vier Stunden seinen selbstbewussten Schritten auf Tritt zu folgen und das Ziel zu erreichen, der Sonnenuntergang in der Kini-Bucht und ein griechischer Salat in der Strandtaverne, wenn man eigentlich schon abgereist sein sollte.
Diese Reisepassage bezieht sich im Format auf die Kurzgeschichten im Buch von Franz E. Kneissl "Taxi zum Parkplatz" und ist im Kneissl Menschenbilder STERZ Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kulturpolitik Nr.112 erschienen.