Filmfestivals bieten auch die Möglichkeit nebeneinander Filme zu sehen, die sich ergänzen. So laufen beim 16. Internationalen Film Festival Innsbruck parallel das melancholische Zeitbild »Comment j´ai fêté la fin du monde« und »Videogramme einer Revolution«, in dem Harun Farocki schon 1992 über die Rolle der Kameras bei der rumänischen Revolution reflektierte.
Die gleichen Fernsehbilder von der letzten Rede des rumänischen Diktators Nikolai Ceausescu finden sich gegen Ende von Catalin Mitulescus Spielfilm »Comment j´ai fêté la fin du monde« und Harun Farockis Essayfilm »Videogramme einer Revolution«. Die Absichten der Filmemacher und die filmischen Mittel sind aber diametral entgegengesetzt.
Harun Farocki, dem beim Film Festival Innsbruck im Tiroler Landesmuseum eine Hommage gewidmet ist, zeichnet mit originalen Amateurfilmen und TV-Aufnahmen die Rolle der Bilder und der Kamera bei der rumänischen Revolution im Dezember 1989 nach. Mühsam ist diese sorgfältige Kompilation von Found Footage, mit der chronologisch der Verlauf der Ereignisse vom 20. bis 25. Dezember dokumentiert wird, durch den weitgehenden Verzicht auf Off-Kommentar, aber sichtbar wird in dieser Akribie und Minutiosität, wie sich die Kamera vom zurückhaltenden und versteckten Beobachter und vom Verweigerer durch Abschalten zum aktiven Gestalter der Revolution wandelt, wie sie sich unter die Revolutionäre mischte und das Geschehen auch durch gezielte mediale Inszenierung beeinflusste.
Am konkreten Ereignis macht Farocki, der immer wieder in seinen Filmen über die Rolle von Bildern und die Inszenierung von Ereignissen nachdenkt, fest, wie sich die Rolle des Films und der Kamera in den letzten Jahren gewandelt hat: War Geschichte früher die Voraussetzung für Film, ging es um das Festhalten oder Nachinszenieren von geschichtlichen Ereignissen, so wird heute Geschichte durch die filmische Dokumentation gemacht, findet Geschichte statt, weil eine Kamera ein Geschehen der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Spielfilm freilich ist immer noch meistens der Nachzeichnung und Verlebendigung der Geschichte verpflichtet. So schildert Catalin Mitulescu in »Comment j´ai fêté la fin du monde« spürbar aus eigenem Erleben heraus die letzten Monate vor dem Sturz Ceausescus. Verankert in der Perspektive der 17-jährigen Gymnasiastin Eva und ihres siebenjährigen Bruders fließt das Öffentliche beiläufig in das Private ein. In vielen Details von der ärmlichen Wohnung über die karge Gemüsesuppe als Standardspeise, die Sehnsucht der Kinder nach Zeichentrickfilmen und Schokolade bis zu den Schulfeiern mit Lobgesängen auf den Diktator und der Ablehnung gegen den benachbarten Polizisten, der andererseits aber wieder in Notfällen helfen kann, entwirft Mitulescu ein präzises Zeitbild. Die sorgfältigen in dunkle Blau- und Grautöne getauchten Bilder verstärken noch die Atmosphäre einer bleiernen Zeit, nahezu neutralisiert wird das Bedrückende aber wieder durch die Wärme und Menschlichkeit, die innerhalb der Familie herrscht. – Die äußeren Umstände mögen trist und beklemmend sein, Hoffnungslosigkeit und Depression machen sich dennoch nie breit.
Der Handlungsführung fehlt es zwar an Stringenz und auch die Figuren werden zu wenig plastisch herausgearbeitet, aber als melancholisches Zeitbild, das nicht nur vom Ende der Ära Ceausescus, sondern auch auf privater Ebene vom Ende der Jugend und dem Beginn des Erwachsenenalters erzählt, vermag »Comment j´ai fêté la fin du monde« zu überzeugen. Gerade in seiner Feinfühligkeit und Sanftheit, in der Empathie für die Protagonisten und in der trotz der an sich beklemmenden Atmosphäre leichten Erzählweise könnte dieser Film durchaus auch bei einem größeren Arthouse-Publikum auf Anklang stoßen.