Afrika erlebt derzeit einen radikalen Wandel, bei dem die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt. Die heute auf dem Kontinent mit der weltweit jüngsten Bevölkerung entstehenden digitalen Praktiken verändern die afrikanischen Gesellschaften und deren globale Wahrnehmung. In Afrika entwickelte Apps und digitale Inhalte finden dabei zunehmend Eingang in die weltumspannende technologische Sphäre. Trotz der beinahe flächendeckenden Verbreitung von Mobiltelefonen sind die digitalen Infrastrukturen Afrikas jedoch von lokalen und globalen Asymmetrien geprägt. Einzelne gut vernetzte digitale Hubs und Szenen entstehen so zeitgleich mit neuen Formen digitaler Ungleichheit.
Das Ausstellungs- und Rechercheprojekt "Digital Imaginaries", das mit Kooperationspartnern in Dakar und Johannesburg entstanden ist, setzt bei dieser widersprüchlichen Vielfalt des Digitalen auf dem afrikanischen Kontinent an. Wie bei den Ausstellungen, Workshops und Veranstaltungen, die zuvor im Rahmen des Projekts im Senegal und in Südafrika stattgefunden haben, gehen die im ZKM versammelten Beiträge über die reine Beschreibung digitaler Transformationen hinaus. Viele der hier gezeigten Werke beziehen sich auf afrikanische Geschichten, Praktiken und Gegebenheiten, um kritische Denkanstöße für eine emanzipierte digitale Zukunft zu geben, die sich marktorientierten Interessen und post-kolonialen Hegemonien entzieht. Ausgehend von Positionen, die in unterschiedlichen Ländern des Kontinents und in der afrikanischen Diaspora entstanden sind, verdeutlichen die Arbeiten der Ausstellung die Notwendigkeit, unsere Vorstellungswelten des Digitalen reicher, vielfältiger und globaler zu denken.
Die Ausstellung "Africas in Production" im ZKM | Karlsruhe ist die dritte Station des Projekts Digital Imaginaries, das 2019 mit einer gemeinsam herausgegebenen Publikation seinen Abschluss finden wird. "Digital Imaginaries – Africas in Production" präsentiert zahlreiche neue Arbeiten, die während des Projekts entwickelt wurden. Darüber hinaus versammelt die Ausstellung Dokumentationen der Veranstaltungen in Dakar und Johannesburg sowie zusätzliche Videos, Fotografien, Skulpturen und Installationen, die das Spektrum der Präsentation erweitern. Die in dieser Ausstellung versammelten Werke aus Gabun, Kenia, Marokko, Nigeria, dem Senegal, Südafrika, Togo, Sambia und Simbabwe sowie von der afrikanischen Diaspora in Frankreich, Großbritannien und den USA präsentieren keine einheitlichen Narrative. Gemeinsam hinterfragen sie jedoch die dominierenden Vorstellungen des Digitalen und leisten so einen Beitrag zu facettenreicheren und vielgestaltigeren Konfigurationen der digitalen Welt.
Die Veranstaltungen, die im Rahmen von Digital Imaginaries in Dakar und Johannesburg stattfanden, aktivierten sowohl spezifische lokale Geschichten als auch zeitgenössische Praktiken, um zu erkunden, was für eine Zukunft das Digitale für Afrika breithalten und was Afrika zum Digitalen beitragen könnte. Viele der im ZKM gezeigten Werke verfolgen eine ähnliche Strategie: Über die reine Kritik hinausgehend, brechen sie das Digitale mit zeitgenössischen afrikanischen Anliegen, Gegebenheiten, Vorgehensweisen oder Entwicklungen, um dadurch die digitalen Praktiken zu bereichern und neu zu gestalten. Dabei zeigen sie, dass die Vorstellung eines homogenen globalen digitalen Raumes nichts anderes ist als ein weiteres Beispiel marktorientierter Denkmuster und Interessen, die vorgeben, allgemeingültig zu sein. Indem sich diese Werke mit den afrikanischen Besonderheiten auseinandersetzen, erweitern sie den Horizont, der absteckt, welche zukünftigen digitalen Perspektiven vorstellbar sind – in Afrika, in Europa und auf der ganzen Welt.
Das von Februar bis Mai 2018 veranstaltete Afropixel Festival war die erste Etappe des Projekts Digital Imaginaries. Afropixel ist eine Initiative des Projektpartners Kër Thiosanne, einem unabhängigen Raum für multimediale Kunst in Dakar. Das Festival widmete sich in seiner sechsten Ausgabe unter dem Motto "Non-Aligned Utopias" afrikanischen Initiativen, die digitale Technologien und Praktiken kritisch einsetzen, um lokale Praktiken als Mittel zur Aktion und Emanzipation zurückzugewinnen. Eine Ausstellung im Wits Art Museum, eine Workshop-Reihe sowie das Fak’ugesi African Digital Innovation Festival in Johannesburg bildeten die zweite Station des Projekts. Die von Juli bis September 2018 präsentierte Ausstellung in Johannesburg knüpfte an die Idee der "Vorahnung" an und nutzte die umfangreiche Sammlung afrikanischer Kunst des Wits Art Museums, um Verbindungen zwischen algorithmischen Voraussagen, zeremoniellen Halluzinationen, fraktaler Mathematik, spirituell-digitalen urbanen Räumen, traditionellem Perlenhandwerk und Weissagungsobjekten zu untersuchen. Die Präsentation aktivierte so die Sammlung des Museums und sein umfangreiches afrikanisches Archiv, um zeitgenössische digitale Praktiken zu überdenken.
Künstler der Ausstellung: Larry Achiampong / Sénamé Koffi Agbodjinou, L’Africaine d’architecture / Younes Baba-Ali / David Blandy / Tegan Bristow, Alex Coelho, Russel Hlongwane & João Roxo / Kombo Chapfika / Joshua Chiundiza / CUSS Group / Milumbe Haimbe aka ArtisTrophe / Olalekan Jeyifous & Wale Lawal / Isaac Kariuki / Wanuri Kahiu / Francois Knoetze / Maurice Mbikayi / DK Osseo Asare & Yasmine Abbas, Agbogbloshie Makerspace Platform (AMP) / Marcus Neustetter / Tabita Rezaire / The Nest Collective
Digital Imaginaries – Africas in Production
17. November 2018 bis 31. März 2019
Eröffnung: 16. November 2018, 19 Uhr