Die paradiesischen Gärten des Marc Chagall

Seine Bildersprache ist unverwechselbar, seine Farben von einer lyrischen Magie getragen: Der Malerpoet Marc Chagall (1887 –1985) hat die Kunst des 20. Jahrhunderts als einer der ganz großen Meister der Moderne mitgeprägt. Unter dem Titel "Marc Chagall –Paradiesische Gärten" zeigt das Lindauer Kunstmuseum bis Ende Oktober rund 70 Werke des 1887 im weißrussichen Peskowatik bei Witebsk geborenen und 1985 im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence verstorbenen Künstlers.

Von Raum und Zeit scheinbar befreit, entfalten Chagalls träumerische und farbleuchtende Kompositionen einen Zauber, dem sich kaum jemand entziehen kann. Die in der Lindauer Schau versammelten Werke zeigen die üppige Vegetation südlicher Länder und Blumen in allen Farben. In seinem langen und bewegten Leben schöpft Chagall viele Elemente seiner Kunst aus der Erinnerung an die ferne russische Heimat und aus dem Leben in Südfrankreich. Vor allem die mediterrane Welt der Côte d‘Azur fasziniert ihn seit seiner Rückkehr aus dem Exil in den Vereinigten Staaten. Die Trauer um seine früh verstorbene Frau und große Liebe Bella verarbeitet er in visionären Bildern, die von seiner Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies erzählen. Stets ist er dabei ein Suchender, ein Träumer, und so verschwimmen in seinem Werk Wirklichkeit und Traum, Vision und Realität.

Immer wieder gelingt es ihm, die Gesetze der Schwerelosigkeit aufzuheben, wenn Menschen und Tiere durch Raum und Zeit zu schweben scheinen. Die Lindauer Ausstellung zeigt Chagall nicht nur als Maler farbenprächtiger Blumenmotive, sondern vor allem als Geschichtenerzähler, nicht umsonst wird er der Malerpoet genannt.

Chagall wird inspiriert und mitgerissen von der Sehnsucht des Menschen nach dem Paradies – nach Frieden, Liebe, Geborgenheit und Ewigkeit. "Der Suchende wird entdecken, dass Chagalls Bilder in einer tiefen Religiositätwurzeln. Sie haben in der Tat erlösende Kraft, sie sind gemalte Hoffnung", postuliert Prof. Roland Doschka, der Kurator der Ausstellung. Die Lindauer Präsentation, die auch aus Anlass seines 80. Geburtstages gezeigt wird, ist seine sechste internationale Chagall-Ausstellung. Sein Fazit: "Es ist die schönste und interessanteste Chagall-Ausstellung, die ich kuratiert habe." Der Kurator hat zudem in Lindau auf der Gartenschau einen Garten im Stil Chagalls gestaltet.

Im Zentrum der Lindauer Schau stehen Chagalls Illustrationen der antiken Liebesgeschichte "Daphnis und Chloe" des griechischen Autors Longos. Co-Kuratorin Sylvia Wölfle betont die Bedeutung der Arbeiten: "Mit der außergewöhnlichen künstlerischen und technischen Qualität der Lithografien revolutionierte er die hohe Kunst des Steindrucks. In seinem berühmten grafischen Zyklus aus 42 Blättern feiert Chagall ein wahres Fest der Farben und der Fantasie."

Konkret beleuchtet die Lindauer Ausstellung Chagalls Schaffenszeit zwischen 1950 bis 1970. Sie zeigt also eine späte Phase in seinem Werk und demonstriert, wie Chagall auch als reifer Künstler neugierig bleibt, mit vielen verschiedenen Techniken virtuos experimentiert und damit sein großes Werk bereichert hat. Chagall ist auf dem Höhepunkt seiner Meisterschaft im Umgang mit Farbe, Technik und Inhalt.

Marc Chagall – Paradiesische Gärten
Kunstmuseum Lindau
Bis 31.10.
Tägl. 10-18
www.kultur-lindau.de/museum