„Die Menschen stehn ums Feuer herum“

18. März 2019 admin
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Gestern brannte es in Lustenau und auf den Champs-Élysées, hier der Weltrekordfunken, dort die Geschäfte. In Lustenau zündelte eine Funkenzunft, in Paris der Mob, der gemeinsame Nenner war also nur das Feuer, das Element, das die Menschen fasziniert, seit sie von den Bäumen heruntergestiegen sind. Die großen Brände sind historische Ereignisse, die man mit Ort und Datum kennt: Der Große Brand von London beispielsweise zerstörte vom 2. bis zum 5. September 1666 vier Fünftel der City von London. Er entstand durch Funkenflug aus einer Backstube. Der Londoner Bürgermeister Bludworth, der in der ersten Nacht wegen des sich ausdehnenden Feuers aus dem Schlaf geholt wurde, sagte „Pish! A woman might piss it out!“ („Pah, eine Frau könnte es auspinkeln“) und legte sich wieder schlafen. Da es damals so große Frauen nicht gab, waren drei Tage später 100.000 Menschen obdachlos.

Rekorde ziehen es nach sich, dass sie sogleich irgendwo übertroffen werden sollen. Es ist offenbar recht schwierig, einen so hohen Funken zu bauen, ohne die Umwelt durch Funkenflug zu gefährden, und vielleicht steht nicht überall gleich die Feuerwehr bereit. Man muss übrigens nicht ein Jahr auf den nächsten Funkensonntag warten, die Osterfeuer haben eine noch ältere Tradition. Hier ein Zitat dazu aus einem älteren Text, der vielleicht eine Inspiration für Leute enthält, die sinnlose Feuer toll finden.

„Ostern, Fest der heidnischen Frühlingsgöttin Ostara und Fest zugleich der Auferstehung des christlichen Heilands! Zwei Welten, die eine auf der anderen errichtet, reichen einander die Hand zum Bunde. Wenn der Lenz da ist, dann erscheint Donars lichtbringende Gemahlin Ostara hoch oben in den Wolken. Das falbe Reh ist ihr Gespann, und die Schwalbe fliegt ihr vorauf, mit ihrem Botenruf den Frühling zu künden. ,Vom Eise befreit sind Strom und Bäche’, und der Schlehdornstrauch hebt an zu knospen. Und während in der Kirche dem Erlöser als dem Lichte der Welt die Osterkerze geweiht wird, sammelt man draußen, besonders wo die alten Sachsenstämme zu Haus sind, trockene Reiser, um auf den Deichen gewaltige Feuer zu entzünden, auf dass ihre Asche die Saaten segne. Auf hohen Stangen flammen brennende Teertonnen lodernd gen Himmel, und die Menschen stehn ums Feuer herum, ein jeder in diesen Gruß der wiedererwachenden Erde an den Himmel seine eigenen Gedanken und Wünsche verflechtend. Anderswo macht man’s anders: so wird eine Strohpuppe dem Feuer überantwortet oder auf hoher Stange durchs Dorf getragen und schließlich ins Wasser geworfen. Wo Höhen sind, lässt man brennende Teertonnen zu Tal rollen, wieder anderswo ziehen Ostersänger umher, Auferstehungslieder singend, oder es wird zum Schutze gegen Krankheit in aller Stille aus fließenden Gewässern Osterwasser geschöpft, und also mischen sich in diesen uralten Bräuchen frommer Glaube, Hoffen und Aberglaube.“

So steht es auf dem Kalenderblatt für die Woche vom 21. bis zum 26. März 1932 in dem Kalender „Deutsche Lande, Deutsche Worte“, welchen die Firma Kaffee-Schilling in Bremen an ihre Kundschaft verteilte.

„Wo die alten Sachsenstämme zu Haus sind“? Der Karolinger Karl III., der am 24. Juli 887 in Lustenau eine Urkunde unterzeichnete, die zum ersten Mal den Ort als „Lustenoua“ fixierte, war zwar seit 882 auch Herrscher in Sachsen, aber das reicht als Erklärung für die Lustenauer Funkenbegeisterung nicht aus.

Aber heute ist ja schon Sonntag, also „Ashes to ashes, dust to dust“.