Die Maischolle ist gekommen

7. Mai 2012 Kurt Bracharz
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Die Maischolle heißt so nicht zoologisch, sondern kulinarisch. Das Fleisch der Scholle (Pleuronectes platessa) schmeckt im Mai und im Juni am besten, deshalb begann an der Ostsee bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Sommerfischerei mit Buttnetzen im Mai und hielt bis in den Herbst an. Diese rechtsäugigen Plattfische (das linke Auge wandert auf die rechte Körperseite, bevor das Jungtier mit dieser Seite nach oben zu schwimmen beginnt) können 50 Jahre alt, 7 kg schwer und einen Meter lang werden, kommen aber fast ausschließlich als nur ca. 30 cm lange Exemplare auf den Markt.

Es gibt einige Lokalrassen, und gelegentlich kommen Kreuzungen mit Flundern vor. Ostseeschollen sind kleiner und fleischiger als Nordseeschollen. Zum Braten kann man den ausgenommenen, geschuppten oder nur mit Salz abgeriebenen Fisch im Ganzen nehmen oder ihm Kopf und Flossen abschneiden. Die Scholle (oder nur ihr Filet) wird mehliert, in Butter gebraten und mit Zitronenschnitzen, gebackener Petersilie, zerlassener Butter und Kartoffeln serviert. Bei der bekannten "Speckscholle auf Finkenwerder Art" brät man durchzogenen, gewürfelten Speck in Butter, nimmt ihn heraus und fügt ihn nach dem Braten des Fisches in dieser Butter wieder hinzu. Dazu passt Kopfsalat mit einer Sahnesoße, die aus Sauerrahm, Zitronensaft und Zucker besteht.

Aldo Zilli schreibt in "Fisch!" (München 2007), Scholle sei der perfekte Fisch für Goujons (fingerdicke Streifen) in Champagnerteig, weil Schollenfleisch gut die Form bewahrt. Er reicht zu den in heißem Öl herausgebackenen Gujons aus Schollenfilet eine Tatarsoße zum Dippen.

Historisches zum Thema findet man im "Appetitlexikon" von Rudolf Habs und L. Rosner aus dem 19. Jahrhundert: "Scholle, Maischolle oder Goldbutt, die nächste Blutsfreundin der Flunder und der Kliesche, bewohnt vorzugsweise die Nordsee, kommt aber auch im Mittelmeer vor und wurde unter der Bezeichnung Platteise schon im 16. Jahrhundert von Triest aus in frischem Zustand für die kaiserliche Küche nach Wien geschickt. (...) In Wien ist die frische Scholle zur Zeit unbekannt, und man belegt statt ihrer den erhabenen Steinbutt mit diesem Namen."

Ebenfalls nur noch historisch muten die sechs Schollenrezepte in Alexandre Dumas’ "Das große Wörterbuch der Kochkunst" an. Bei zweien davon wird der Fisch in Salzwasser mit Petersilie gekocht, bei weiteren zwei gebraten, einmal im Rohr mit Bröseln gratiniert und einmal als "Scholle, Matelote normande" zusammen mit Austern, Miesmuscheln und Garnelen in Apfelmost oder in Weißwein gedünstet.

Ganz besondere Wertschätzung genießt die Scholle unter den Plattfischen nicht, die meisten Köche haben ihr Steinbutt und Seezunge schon damals vorgezogen, als alle Bestände von Plattfischen noch ungefährdet waren. Der "WWF-Fischführer" sieht heute für die Scholle die höchste Gefährdungsstufe, Greenpeace bezeichnete in seinem Fischratgeber 2009/11 auf Grund der "z.T. schlechten Bestandszustände" ihren Verzehr als "nicht vertretbar".